Angeblicher DDR-Spion in Brüssel abgegriffen

■ Mitarbeiter der Bonner Nato-Botschaft 20 Jahre Top-Spion?

Berlin (taz) - Wegen Spionage für einen DDR-Geheimdienst ist gegen einen Mitarbeiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik bei der Nato in Brüssel am Mittwoch Haftbefehl erlassen worden. Der 45jährige „H.W.“ wird der Spionage in einem besonders schwerem Fall verdächtigt. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft soll er mehr als 20 Jahren lang und bis zu seiner Festnahme am 3. April für die DDR gearbeitet haben. Die sei so in den Besitz von Unterlagen über Abrüstungsverhandlungen, das Verhältnis der Nato zum Warschauer Pakt und über die deutschlandpolitischen Entwicklungen gelangt. Der Festnahme waren „umfangreiche Ermittlungen“ des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz vorausgegangen, hieß es bei der Bundesanwaltschaft.

Der Beschuldigte, der sich Ende 1969 in Ost-Berlin zu geheimdienstlichen Tätigkeiten verpflichtet haben soll, war dann nachrichtendienstlich ausgebildet und mit den Schlüsselunterlagen für den Agentenfunk, Codierunterlagen und einer speziellen Tasche zum Transport geheimer Unterlagen ausgestattet worden. Er arbeitete zunächst als Fernschreib- und Schlüsseloffizier beim Verteidigungskommando in Nürnberg; ab Juli 1974 war als Chiffreur im Dienste des Auswärtigen Amtes tätig. Während seiner Arbeit beim Auswärtigen Amt war er über die Jahreswende 1986/87 für drei Monate auch an der Botschaft der Bundesrepublik in Wien tätig. Seit 1987 arbeitete „H.W.“ in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik bei der Nato.

Sein „Verratsmaterial“ soll der mutmaßliche Top-Spion bei monatlichen Treffen an Kuriere übergeben und dafür rund 250.000 Mark kassiert haben. Die Bonner Nato-Botschaft in Brüssel lehnte am Mittwoch jede Stellungnahme zur Verhaftung ihres Mitarbeiters ab. Auch das Nato-Generalsekretariat war 'dpa‘ zufolge nicht bereit, Stellung zu nehmen.

wg.