Selbstinszenierung des Conducators

■ Ceausescu - Die letzte Jagd, Sonntag, West 3, 23.20 Uhr

Selbst bei der Jagd war er zu feige. Nicolae Ceausescu, der sich bei jeder Gelegenheit als heldenhafter Conducator feiern ließ, machte während der Jagd eine erbärmliche Figur. Durch einen aus Stein gemauerten Unterstand geschützt, wartete der rumänische Diktatur auf den Bären, der von Pferdekadavern auf wenige Schritte herangelockt wurde, um den Triumph des Fangschusses nicht zu gefährden. Da diese Köderfalle nicht ins Bild des unerschrockenen Waidmannes paßte, wurde der Unterstand niemals fotografiert, obwohl Ceausescu doch sonst alle Jagdszenen für das private Archiv von einem Filmteam aufnehmen ließ. Auch als Privatmann strickte er eifrig an seiner Legende. Wahrscheinlich hat er selbst daran geglaubt. Bis zuletzt.

Die Filmsequenzen aus dem Privatarchiv legen zumindest den Schluß nahe, daß der rumänische Diktator nur noch in der Inszenierung seiner selbst existierte. Den Schweizer Filmemachern Sabine Gisiger und Andreas Hoessli ist es gelungen, das Heimkino in der Familie Ceausescu aufzuspüren. Die letzte Jagd führt einen „Conducator“ vor, der den Personenkult bis ins heimische Wohnzimmer fortsetzt. Gestellte Szenen mit der 102jährigen Großmutter, Ehefrau Elena, wie sie durch Zimmer voller Blumenbuketts schlendert, Vater und Sohn, während sie mit der Büchse auf Fasane anlegen. Die Trivialität der Alltagshandlungen kann kaum darüber hinwegtäuschen, wonach der Diktator auch im Privatleben strebte - nach uneingeschränkter Befriedigung seines Geltungsdranges.

Ganz nebenbei gelingt es den beiden Autoren, die Frage zu beantworten, warum das Spiel dieses eitlen Pfaus, der fast ausschließlich mit der Überhöhung seines Egos beschäftigt war, so lange andauern konnte. In Interviews mit dem Jagdaufseher, der Hofarchitektin oder der Haushälterin wird deutlich, wie die Mischung aus Angst vor drohenden Strafen und dem Abglanz der Macht die Menschen in seinem nahen Umkreis zu ergebenen Dienern machte. Der Film Die letzte Jagd birgt also mehr als ein paar ernüchternde Einsichten über die banalen Sitten des privaten Diktators. Er deutet ganz beiläufig die Mechanismen der Macht. Daß zum Schluß das Staatsoberhaupt - Ironie der Geschichte - in die Rolle des flüchtenden Wildes gedrängt wird, ist eine verblüffende Parallele, die den Film davor bewahrt, sich allzu schnell im voyeuristischen Blick ins filmische Privatalbum zu erschöpfen.

Christof Boy