Der Kanalarbeiter

■ Tele-Tips aus der Provinz

Ganz versteckt, an Programmplätzchen, die wohl nur von pathologischen Couch Potatoes wahrgenommen werden, beschäftigen sich sachverständige Fernsehschaffende gelegentlich auch mal mit dem einen oder anderen Kunstwerk. Das müssen nicht immer Nofretete oder Mona Lisa sein, auch der Teppich von Bayeux ist Nord 3 am Samstag um 12.30 Uhr immerhin dreißig Minuten seiner knapp bemessenen Sendezeit wert. Praktischen Rat geben die Bayern, die nämlich akkurat um 18.00 Uhr helfen, Keller- und Dachbodengerümpel nach Kunst und Krempel zu unterscheiden. Wer Sportschau gucken muß, erfährt vielleicht nie, daß er/sie womöglich gerade eine echte Antiquität in den Sperrmüll gegeben hat, hoho. Populärer ist gewiß Carol Reeds (Der dritte Mann) eklatant betiteltes und annehmbar untergebrachtes spielfilmisches Künstlerporträt Michelangelo - Inferno und Ekstase aus dem Jahr 1964. Charlton Heston pinselt um 20.00 Uhr geziemend infernalisch und penetrant ekstatisch in der Sixtinischen Kapelle herum, was mir drückend ins Bewußtsein ruft, daß das mich umgebende Arbeitszimmer auch mal wieder renoviert werden dürfte...

Am Sonntag verabreichen uns West 3 und Nord 3, als hätten sie's verabredet, eine doppelte Ration Picasso. Um 13.15 Uhr steht der geniale Maler-Maestro bei den Westfalen im Mittelpunkt des Funkkolleg Kunst; während die Nordkettenlichter denselben um 15.55 Uhr mit einem Dokumentarfilm von Didier Bausseys abhandeln. Zu den Hundert Meisterwerken der ARD zählen Karin von Welck und Ray Müller auch Ahnenfiguren aus Nias. Was es mit den Hütern des Hauses auf sich hat, erfahren Kunstinteressierte um 22.35 Uhr im ersten Kanal. Bis 23.45 Uhr ist das Gesehene hoffentlich ebenso verdaut wie die für einen gelungenen Fernsehabend unerläßlichen TV-Dinners, denn dann stellt das Zweite noch schnell Wolfgang Hildesheimer wie erwartet als Literaten, überraschenderweise aber auch als Collagisten und Zeichner vor. Wer vorher aufgibt und sich vor Sendeschluß noch von einem US-Spielfilm unterhalten lassen möchte, wird von Bayern 3 mit Dies Land ist mein Land erstbest bedient, weil die von Hal Ashby verfilmte Lebensgeschichte nach einem langen Tag doch noch passabel wegzugucken ist.

Harald Keller