Den Tiger im Pneu

■ DDR-Fahrer und schon übergesiedelte geben in der Rad-Bundesliga nach zwei Rennen überlegen den Ton an

Berlin (taz) - Rad-Bundestrainer Peter Weibel war einigermaßen verdutzt. Als nach 170 Kilometern in Fürth die Bilanz des zweiten Bundesligarennens gezogen wurde, fand er weder die Namen der etablierten Nationalfahrer noch das sieggewohnte Olympia-Team aus Dortmund an der Spitze. Statt dessen führten die Radfahrer aus der DDR die Regie.

Noch vor zehn Tagen, beim vom Schnee und Sturm erschwerten Auftaktrennen durch die Eifel, hielt man es für einen Zufallserfolg, daß unter den besten sieben Fahrern gleich vier aus der DDR waren, zumindest dort das Radfahren gelernt hatten. Als nach 165 Kilometern der Leipziger Andre Hans in Köln den Siegerkranz aufsetzte, kannte ihn in der Bundesrepublik kein Mensch. Ebensowenig den Zweitplazierten, Ralf Schmidt, der aus Ost-Berlin zum RC Charlottenburg stieß.

Auch der zweite Renntag nährte den Verdacht, daß der DDR trotz des Wechsels der Eliteradler Ludwig, Ampler, Raab, Kummer, Schur und Jentsch ins Profilager auch im Amateurbereich die Spitzenfahrer nicht ausgegangen sind. Was in Köln noch auf Schlechtwetter zurückgeführt wurde, setzte sich am Sonntag in Fürth trotz strahlenden Sonnenscheins gnadenlos fort: die Dominanz der „Neuen“ aus der DDR.

Ob dieser Überlegenheit formierten sich flugs die Paragraphenreiter der ins Abseits geratenen Klubs, die ihre Felle davonschwimmen sahen: Vorsichtshalber ließen sie schon in Köln die Startberechtigung von Schmidt überprüfen.

Zu Recht erkannten sie den 23jährigen als Gefahr, denn am Sonntag in Fürth gewann ebenjener nach knapp vier Stunden Fahrzeit das zweite Wertungsrennen. Zweiter wurde zum Entsetzen des Bundestrainers ausgerechnet der Öschelbronner Stefan Stöhr, den er vor einiger Zeit ausgemustert hatte. Des Siegers ehemaliger Ostberliner Vereinskollege Lutz Lehmann, der schon seit vier Jahren für Charlottenburg tritt, komplettierte den Erfolg des Berlin-Teams, das dadurch die Mannschaftswertung anführt. Der beste Fahrer der bundesdeutschen A-Nationalmannschaft, Ralf Aldeg, trudelte gemächlich als Dreizehnter ein.

Vielleicht aber, so dachte manch ein Experte, sind die BRD -Radler viel listiger als lahm, vielleicht sparen sie nur ihre Kräfte für ein viel wichtigeres Ereignis: Am morgigen Sonntag startet die zehntägige Niedersachsenrundfahrt - mit kurzen Teilabschnitten durch die DDR -, ein hochrangiges Etappenrennen von internationalem Stellenwert. Eigentlich, so könnte man spekulieren, eine adäquate Chance für die bundesdeutschen Pedalisten, nach den glänzenden Erfolgen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen auch im eigenen Land begehrten Lorbeer zu erheischen. Die Zeit wäre reif: Der erste und bisher einzige bundesdeutsche Rundfahrtgewinner war Peter Becker, anno 1978.

Aber, aus der Traum, diesmal wird das nichts: Völlig überraschend sagte der Bundestrainer die Teilnahme seiner Radfahrer ab. In der Leistungskrise wäre eine Niederlage bei der Rundfahrt wohl auch eine denkbar schlechte Motivation.

Peter Mohr