Wilder Westen beim Müll

■ Zum Nulltarif darf künftig giftiger Abfall verbrannt werden

Was für eine Charaktermaske muß der sogenannte Umweltminister Töpfer sein, um - ohne schamrot zu werden im Bundesrat als „beispielhaft entwickelte Luftreinhaltepolitik“ zu loben, was ein Freifahrtschein in die totale Vergiftung ist? Mit dem Zusatz zum Abfallgesetz, der die Verbrennung von Sondermüll in Zementfabriken, Stahlwerken und Kraftwerken zuläßt, wird jeder Ansatz eines vernünftigen Umgangs mit der Müllproblematik ausgehebelt. Statt dessen hat die Bundesratsmehrheit für wildwest -ähnliche Zustände in der Abfallwirtschaft votiert. Angesichts einer wachsenden Zahl von Menschen, die sich schon heute gegen die Dreck-Recycler in ihrer Umgebung wehren, kann dies nur als Kriegserklärung gegen die eigene Bevölkerung verstanden werden. Die hat schließlich schon gegen die bestehenden Anlagen mehr als nur berechtigte Zweifel vorgebracht.

Es sprengt die Grenzen des politischen Zynismus, wenn Töpfer sich lobt, für Müllverbrennungsanlagen die strengsten Grenzwerte der Welt anzustreben und andererseits diese Gesetzesänderung vorzulegen. Die Einwände, schließlich müßten die - wesentlich schlechteren - Grenzwerte des Immissionsschutzgesetzes auch von den Fabriken eingehalten werden, ist purer Hohn. Allen Bundesländern fehlt das Personal, um zu kontrollieren, was unten in den Ofen geschoben wird und oben an Ultra-Giften aus dem Schornstein quillt. Die Erfolge beim Kampf gegen die giftige Kehrseite der Konsumgesellschaft - das endgültige Aus für eine Vergiftung der Nordsee durch die Dünnsäureverklappung und Müllverbrennung auf hoher See, die Erschwerung des Giftmüllexports in die Dritte Welt - verblassen vor diesem Befreiungsschlag einer lernunwilligen Gesellschaft. Die Gesetzesänderung markiert den Bankrott gegenüber der Abfall -Lawine der Konsumgesellschaft über die Parteigrenzen hinweg. Verantwortlich für diesen schändlichen Akt sind nämlich nicht nur die Unions-geführten Bundesländer und die Bundesregierung, sondern auch die SPD in Nordrhein -Westfalen. Die Rau-Regierung hat eine Anrufung des Vermittlungsausschusses des Bundesrats verhindert und hat das rot-grüne Berlin mit der Erpressung auf Linie gebracht, man werde der Stadt sonst keinen Müll mehr abnehmen.

Verkehrte Welt: Für die Bevölkerung bleibt als letzte Hoffnung nur, daß die Betreiber von Müllverbrennungsanlagen gegen die Ungleichbehandlung klagen. Schließlich haben sie Millionen investiert, um den Grenzwerten zu genügen, während künftig jede Klitsche zum Nulleinsatz die Bevölkerung vergiften darf.

Gerd Nowakowski