Militäreinsatz gegen illegale Einwanderer?

In Italien läuft der stellvertretende Ministerpräsident und Sozialist Claudio Martelli allen Fremdenhassern den Rang ab  ■  Aus Rom Werner Raith

Fast eine halbe Woche brauchten die Italiener, um herauszufinden, ob es sich bei der neuesten Regierungsankündigung in Sachen Immigranten um einen „blanken Zynismus oder einen verspäteten Aprilscherz handelt“, oder ob es nur darum geht, die bei den kommenden Kommunalwahlen gefährlichen rassistischen Splitterparteien in Sachen Xenophobie zu überholen. Claudio Martelli, Vize -Regierungschef, Sozialist und Sprachrohr von Bettino Craxi, hat nach der Verabschiedung des von ihm durchgepaukten umstrittenen „Gesetzes zur Regulierung der Einwanderung“ erneut zugeschlagen: Jetzt soll gar das Militär gegen unerwünschte Fremde eingesetzt werden. Schützen will der tapfere Sozialist - der sich dabei auf die ausdrückliche Zustimmung des christdemokratischen Ministerpräsidenten Andreotti stützen kann - damit vor allem die Küste und die Alpengrenze, über die einerseits Afrikaner und Asiaten, andererseits massenweise Arbeitssuchende aus dem ehemaligen Ostblock erwartet werden. Bestätigt sehen sich durch diese Maßnahme nun die industrienahen Republikaner. Sie hatten, obwohl Regierungspartei, das Martelli-Gesetz seinerzeit abgelehnt, weil es „den legalen extrakommunitären Arbeitern zwar geordnete Verhältnisse und sogar Wohnungen verspricht“, aber „keine ausreichende Kontrolle der effektiven Zuwanderung“ zuläßt und so soziale Spannungen anheizt. Tatsächlich waren kurz danach nächtliche Hetzjagden auf afrikanische Händler in Florenz ausgebrochen, was die Behörden ihrerseits bewog, durch harte Abschiebemethoden den „Schutz“ der einheimischen Geschäftsleute zu garantieren. Dennoch halten auch die Republikaner Martellis Vorschlag vom Einsatz des Militärs für „hirnverbrannt - sollen wir mit der Artillerie oder Schiffsgeschützen auf Prostituierte oder marokkanische Tandhändler schießen?“

Harte Opposition haben auch die Kommunisten und die Grünen angekündigt, die Martellis Gesetz vor zwei Monaten, offenbar ohne die Erweiterungen zu prüfen, mehrheitlich zugestimmt hatten. Zufrieden äußern sich dagegen militärische Betonköpfe, denen neuerdings der kommunistische Freund allzusehr fehlt: „Benvenuto“ tönten gleich zwei ehemalige Generalstabschefs im staatlichen Rundfunk RAI, als sie die Nachricht hörten, „unsere Alpini, die einst große Schlachten geschlagen haben, könnten ebenso wie die Marinesoldaten endlich wieder eine sinnvolle Aufgabe bekommen, anstatt tatenlos in den Kasernen herumzusitzen.“ Tatsächlich üben Soldaten bereits fleißig auf diesem Terrain. Nach eben bekanntgewordenen Berichten haben sie „vor der Militarisierung der Immigrantenfrage“ bereits mehrmals das Feuer auf suspekte Grenzgänger eröffnet und dabei mehrere Personen verletzt: ein 17jähriges thailändisches Mädchen sogar schwer.