Landesmutter mit Männerriege

Parlamentspräsidentin Sabine Bergmann-Pohl ist nun die „wichtigste Frau in der DDR“  ■ P O R T R A I T

Berlin (taz) - Jetzt hat sich also auch die DDR eine zugelegt - eine Parlamentspräsidentin. Rita Süssmuth, die sich weiland von ihrem Ministerinnenjob an die Spitze des Bundestages hat hinwegloben lassen, schickte der neuen Amtskollegin sogleich ein Glückwunschtelegramm.

Sabine Bergmann-Pohl von der CDU, die mit ihrer Wahl kommissarisch auch den Posten der Landesmutter übernahm, fand sich schnell im parlamentarischen Procedere zurecht. Zweifellos wird sie die Volkskammer (solange es sie gibt) mit weiblichem Geschick moderieren - (frauen)politische Akzente wird die Newcomerin schon von Amts wegen kaum setzen. Und gegen die Riten des Parlamentarismus wird sie wohl auch kaum verstoßen, etwa durch Zwischenrufe wie: Abgeordneter X, hören sie endlich auf mit ihrem eitlen Nullgeschwätz, kommen Sie zur Sache. Oder: Abgeordneter Y, machen Sie einen Punkt, damit wir endlich nach Hause können.

Die Presse ist begeistert von „Sabine“, der „wichtigsten Frau in der DDR“. Die 43jährige Lungenärztin, Mutter von zwei Kindern und engagiertes Kirchenmitglied, ist doch das Vorbild der tüchtigen und emanzipierten Frau, der die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und gesellschaftlicher Aktivität glücklich gelungen scheint. Frauen können (und dürfen) also doch - wenn sie nur richtig wollen.

Sabine Bergmann-Pohl ist gut - vor allem für die Statistik „Frauen in Spitzenpositionen“. Frage eines West-Reporters an die neue Volkskammerpräsidentin: „Wurde mit ihrer Wahl auch ein frauenpolitischer Akzent gesetzt?“ Antwort von Frau Sabine: „Ich freue mich als Frau für die Frauen.“

Die Freude wird allerdings dadurch etwas getrübt, daß unter den 400 Volkskammerabgeordneten nur 85 Frauen sitzen, das sind 21 Prozent, also nicht mal ein Viertel der Abgeordneten. Prozentual die wenigsten brachten die Liberalen mit 4,7 Prozent ein, über die 25-Prozent-Marke sprang nur und ausgerechnet die PDS mit 42 Prozent weiblichen Abgeordneten. Selbst das grün-lila Bündnis aus Grüner Partei und Unabhängigem Frauenverband stellt nur zwei Frauen, dafür aber sechs Männer.

Allein der Demokratische Frauenbund Deutschlands (DFD) ist hundertprozentig mit einer Frau vertreten. Er hat sich allerdings mit der Bauernpartei (DBD) zur Fraktion zusammengeschlossen. Als aber die einzelnen Fraktionen ihre Kandidaten für das Amt der Vizepräsidenten vorstellten, standen für den DBD zwei Männer auf. Was der Präsidentin die Bemerkung entlockte: „Ich bin doch etwas verwundert, daß Sie keine Frau vorschlagen“.

Die Volkskammer ist eben auch eine Männerriege - mit Dame.

Ulrike Helwerth