Von Fidel Castro zu Maggie Thatcher

Der Weg des Schriftstellers Mario Vargas Llosa vom Kommunisten zum konservativen Präsidentschaftskandidaten  ■ P O R T R A I T

Während hierzulande Geist und Macht in aller Regel getrennte Wege gehen, ist es in Lateinamerika nicht unüblich, daß sich Schriftsteller in die Niederungen der Regierungsgeschäfte begeben. So wurde Ende der fünfziger Jahre der Romancier Romulo Gallegos Präsident Venezuelas, Sergio Ramirez ist (noch noch zwei Wochen) Vizepräsident Nicaraguas, andere wie der Chilene Pablo Neruda oder die Mexikaner Carlos Fuentes und Octavio Paz vertraten ihre Regierungen im diplomatischen Dienst.

Mario Vargas Llosa, neben dem Kolumbianer Gabriel Garcia Marquez wohl bekanntester Literat Lateinamerikas, steht durchaus in dieser Tradition, wenn er nun das höchste Amt im Staat anstrebt. Andererseits hat er auch immer wieder vor der Macht gewarnt, die „die schlimmsten Begierden weckt“ und gegen die sich ein „kleiner, aber hartnäckiger Gegner“ erhebt: der Künstler. „Nein, Appetit auf Macht“ habe er nicht, „die Macht interessiert mich absolut nicht“, erklärte der Peruaner noch vor zwei Jahren.

In die oppositionelle Politik hingegen stieg der heute 54jährige, in der südperuanischen Stadt Arequipa geborene Schriftsteller schon früh ein. Mit 17 Jahren trat er 1953 der Kommunistischen Partei bei. Und wie die allermeisten Intellektuellen Lateinamerikas begrüßte er den Sieg der kubanischen Revolutionäre als den Beginn einer neuen Epoche auf dem Subkontinent. Doch zu Beginn der 70er Jahre brach er mit dem Regime auf der Zuckerinsel. „Wie hältst du es mit Fidel Castro?“ sollte fortan zur Gretchenfrage werden, die er hartnäckig an die linken Intellektuellen Lateinamerikas und auch Europas richtete. Er beschuldigte sie der Revolutionsromantik und der Verklärung der wahren Verhältnisse, warf ihnen ein bigottes Verhältnis zur Demokratie vor und wagte sogar die Behauptung, sie seien damit ein „wesentlicher Faktor der Unterentwicklung in den meisten Ländern der Dritten Welt“. Seine eigene Abkehr von den alten Idealen spiegelt sich in dem Roman Maita, die Geschichte eines desillusionierten Revolutionärs.

Vargas Llosas Polemik richtete sich vor allem auch gegen Garcia Marquez, über den er einst in Madrid seine Dissertation verfaßt hatte und den er nun einen „Höfling Castros“ schimpfte. Als Günter Grass ihn aufforderte, solche Schmäh zurückzunehmen, antwortete ihm der Peruaner in einem offenen Brief: „Literarisches Talent und intellektuelle Brillanz sind keine Garantie für Hellsicht in politischen Belangen.“

Sich selbst sieht Vargas Llosa als einen „fortschrittlichen Liberalen“, einen Reformisten, vor allem aber einen Vorkämpfer gegen totalitäre Tendenzen. Solche witterte der Schriftsteller, der nach eigenem Bekenntnis in Spanien Felipe Gonzalez und in Großbritannien Maggie Thatcher wählen würde, auch in Peru, als Präsident Alan Garcia, ein der Sozialdemokratie nahestehender Populist, 1987 die Verstaatlichung des Bankwesens durchsetzte. Vargas Llosa stieg auf die Barrikaden und warnte auf Dutzenden von Massenversammlungen vor dem Tod der politischen Freiheit, der durch die Beseitigung der wirtschaftlichen Freiheit eingeläutet werde. Das konservative Lager Perus, das während seiner langjährigen Regierungszeit durch Mißwirtschaft, Ämterpatronage und Korruption abgewirtschaftet hatte, besaß nun wieder einen Führer und bald auch einen Präsidentschaftskandidaten.

Politische Ambitionen habe er keine, beteuert Vargas Llosa immer wieder. Lediglich die dramatische Lage seines Landes dränge ihn, öffentliche Verantwortung zu unternehmen. Daß der Schriftsteller, der 1962 mit dem in Peru zwei Jahre später öffentlich verbrannten Roman Die Stadt und die Hunde zu Weltruhm kam, der in Tante Julia die erste Ehe mit seiner Tante und die zweite mit seiner Cousine der Öffentlichkeit erklärte, der mit Palomino Matero einen Politkrimi und mit Lob der Stiefmutter nun auch noch einen erotischen Roman veröffentlichte, auch als Regierungschef Erfolg haben könnte, ist angesichts des rapiden wirtschaftlichen Verfalls und des Terrors auf dem Land kaum vorstellbar.

„Ich weiß nicht, ob die Peruaner mit Vargas Llosa den besten Staatspräsidenten bekämen“, meinte jüngst der mexikanische Schriftsteller Octavio Paz, „ich weiß aber, daß die Literatur einen der besten Schriftsteller verlöre.“

Thomas Schmid