Gift aus Müllverbrennung erlaubt

Müllverbrennung künftig in jedem „besseren Ofen“ / Bundesrat verabschiedet mit den Stimmen der meisten SPD-Länder die Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes für Abfallverbrennung / Umweltgruppen demonstrieren gegen „Anschlag auf die Umwelt“  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Begleitet von einer Demonstration mehrerer hundert Grüner, Vertretern von Bürgerinitativen und Verbrauchergruppen auf dem Bonner Münsterplatz, hat der Bundesrat gestern die Neufassung des Bundesimmissionsschutzgesetzes und eine Änderung des Abfallgesetzes beschlossen. Als „Rückfall in die umweltpolitische Steinzeit“ bezeichnen die Grünen die damit geschaffene Möglichkeit, auch in Fabrikationsanlagen wie beispielsweise Hochöfen, Glashütten oder Zementwerken Müll zu verbrennen. Damit ist nach Ansicht der Grünen eine Kontrolle über die Abfallströme und Emissionen endgültig nicht mehr zu gewährleisten. Zugleich werde jeder Ansatz einer Politik der Abfallvermeidung und Verwertung aufgegeben.

Neben den unionsgeführten Ländern unterstützte auch das SPD -regierte Nordrhein-Westfalen die erst kurz vor Ende der Gesetzesberatungen handstreichartig eingebrachte Änderung des Abfallgesetzes. In der Schlußabstimmung des Bundesrats votierten Bremen und Hamburg ebenfalls für die neue Regelung. Die Länder Berlin und Schleswig-Holstein unterlagen mit ihrem auf Unterstützung aus den unionsgeführten Ländern abzielenden Antrag, eine Verbrennung außerhalb von Müllverbrennungsanlagen nur „im Einzelfall“ zuzulassen. Das Saarland zog vor der Abstimmung einen Antrag zurück, in dem die Gesetzesänderung als „unzumutbare Untergrabung des Abfallrechts“ abgelehnt wurde.

Die Unions-Länder hatten als Begründung eine „Notstandssituation“ bei der Müllentsorgung angeführt. Vor dem Bundesrat versicherte Umweltminister Töpfer (CDU) dennoch, mit der Neufassung des Bundesimmissionsschutzgesetzes werde die „beispielhaft entwickelte Luftreinhaltepolitik“ fortgesetzt. Die neue Regelung sei ein „Eckpfeiler einer ökologischen Marktwirtschaft“. Der schleswig-holsteinische Umweltminister Heinemann (SPD) lehnte dagegen die Regelung ab und beklagte eine „Fülle von eklatanten Mängeln“. Die Überprüfungsmöglichkeiten der Länder seien völlig unzulänglich. Heinemann geht von rund 3.000 Fabrikationsanlagen aus, die künftig neben 50 speziell gebauten Müllverbrennunganlagen Müll verfeuern werden. Er nannte es einen „absurden Prozeß“, daß in den Ländern mit Millionenaufwand Müllverbrennungsanlagen aufgebaut wurden, wenn jetzt Müll zum „Nulltarif“ verbrannt werden könne. Nach Meinung der Umweltorganisation Greenpeace werden bei der Verbrennung in Kupferhütten „mit Sicherheit“ hochgiftige Dioxine entstehen, weil im Hausmüll chlorhaltige Plastikabfälle enthalten sind. Die Organisation rechnete aus, daß jedes normale Zementwerk künftig den Mülldurchsatz einer mittelgroßen Müllverbrennungsanlage mit 90.000 Jahrestonnen haben werde, ohne deren Grenzwerte einhalten zu müssen. Das novellierte Immissionsschutzgesetz sieht die Fortsetzung auf Seite 2

FORTSETZUNGEN VON SEITE 1

Bildung einer Störfallkommission beim Umweltminister vor. Außerdem soll in Anlagen mit besonderem Gefährdungspotential ein Störfallbeauftragter vorgeschrieben werden. Die Regelungen waren von der Opposition als nicht weitgehend genug kritisiert worden. Im Bundesrat unterlag sie mit ihrer Forderung,

daß Anlagenbetreiber die Kosten für Ermittlungen und Prüfungen selbst tragen müssen. Die Verantwortung des Betreibers für Umweltgefahren endet künftig erst zehn Jahre nach der Einstellung des Betriebs.