Die Götter begünstigen Mittelmaß

■ Blau-Weiß taktiert: mit mieser Leistung besiegten sie Münster 2:1 und schafften sich etwas Luft im Abstiegskampf

Diejenigen, die sich für den Berliner Zweitligafußball interessieren, werden seit Wochen von einem schwierigen wie alten Problem gequält: Ist es denn nun besser, daß die Mannschaft gut spielt, oder daß sie gewinnt?

Beides zu vereinbaren, scheint momentan unmöglich. Die hervorragende Rückrundenbilanz der Hertha (17:3 Punkte) geht einher mit eher mäßigen Leistungen - und nun haben sich die Blau-Weißen diesem Weg angeschlossen. Nachdem sie es letztes Wochenende im Lokalderby trotz guter Leistung gegen die schwachen Herthaner auf die Mütze bekommen hatten, steckten sie um und besiegten nach schwachem Spiel die besseren Preußen aus dem Münsterland mit 2:1.

Blau-Weißens neuer Trainer Horschtle Ehrmanntraut analysierte ebendies haargenau und sprach zufrieden von „ausgleichender Gerechtigkeit“. Diese Art Wiedergutmachens fabrizierten die Gäste jedoch aus eigener Dusseligkeit, denn bei den Berlinern funktionierte wenig. Das Mittelfeld- oder Aufbauspiel bestand meist aus planlosem Gebolze, selbst der sonst zuverlässige Libero Levy leistete sich schauerliche Schnitzer und von Sturm zu reden, wäre vermessen.

Die Mannschaft aus dem katholischen Münster hingegen hatte sich vorgenommen, ihren qualvoll miesen Kick vom ersten Berlin-Auftritt gegen Hertha (s.tazvom31.7.89) vergessen zu machen, wohlweislich im Wiederholungsfalle himmlische Strafe fürchtend. Doch „nihil inultum remanebit“, da nutzten auch die wunderbaren Solo-Auftritte des Hansi Bargfrede nichts, ein Klasse-Techniker, der seit kurzem sein Gnadenbrot bei den Preußen kaut, aber leider immer noch nicht seine Macke aus alten St.Pauli-Zeiten abgelegt hat, lieber an der Hose zu pulen, statt zu laufen. Aber er verhalf seinen Stürmern Acquah und Fleige zu besten Chancen, doch dreimal war die Latte, einmal Torwart Gehrkes Schaufelhände im Weg.

Zwischenzeitlich schafften sie dennoch den Ausgleich. Kapitän Gäher - der diesmal nicht wie in Meppen zur Halbzeit beleidigt vom Platz ging, weil seine Freundin keine Freikarte bekommen hatte - köpfte an die Latte, Fleige vollendete per Fallrückzieher.

Hiernach stürmte nur noch Münster, bis Blau-Weißer Adler kurz vor Schluß ganz unerwartet die erste Strafraumszene der Berliner mit einer „Kopfballbogenlampe“ zum Siegtreffer nutzte. Tja, die Götter vergessen nichts und scheinen ihre Gunst mehr dem Mittelmaß zu schenken. Aber was ist denn nun besser, gewinnen oder gut spielen? Für die Fußballfans (deren Anzahl mit 1.718 immerhin um fast 50 Prozent gestiegen ist) wieder mal ein „Lacrimosa dies illa“.

Schmiernik

BLAU-WEISS: Gehrke - Levy - Schmidt, Kutschera - Schlegel, Wilbois, Motzke, Kunert (71. Wagner), Albrecht - Adler, Deffke (84. Drabow); MÜNSTER: Winter - Knauer - Terhaar, Römer - Posipal, Geise, Bargfrede, Bremser, Gäher - Fleige, Acqah

TORE: 1:0 Albrecht (25.), 1:1 Fleige (41.), 2:1 Adler (78.)