Das Ende der Geschichte

■ betr.: "Neues Säbelrasseln in Nahost", taz vom 4.4.90

betr.: „Neues Säbelrasseln in Nahost“, taz vom 4.4.90

Der irakische Staatspräsident Saddam Hussein ist ein Verbrecher. Einer der letzten blutigen Diktatoren, dessen massenmörderische Taten weit über das hinausgehen, was für Rumänien nur geplant war: die vollständige Zerstörung von 4.000 kurdischen Dörfern im Irak ist längst vollzogen. Und die Anwendung von Giftgas gegen Teile der eigenen Bevölkerung eine Tatsache.

Nun kündet der Diktator mit Hilfe seines binären Chemiewaffenpotentials die Auslöschung Israels - also aller dort lebenden Juden und Araber - für den Fall an, daß seine Raketen- und Atomwaffenentwicklung offensiv behindert würde. Die Empörung in Washington, London und eventuell sogar in Bonn ist groß; obwohl man in der westdeutschen Regierungszentrale vergleichsweise leise und zurückhaltend reagiert.

Was seinen Grund hat. Denn die fürchterlichen Waffen, die Saddam Hussein bereits anwendete und weiterhin anzuwenden droht, wurden von jenen geliefert, die sich darüber heute erregen: an der Spitze Frankreich und die Bundesrepublik. Vor allem aus Westdeutschland stammen know how und technologische Grundlagen für die irakische Chemiewaffenproduktion, deren Einsatz schon vor genau zwei Jahren dazu diente, die Menschen der kurdischen Stadt Halabja zu vernichten. Beschuldigt wird in diesem Zusammenhang die südhessische Firma Kolb/Pilot Plant, deren Verfahren bei der Darmstädter Staatsanwaltschaft vor sich hindämmert und wahrscheinlich ergebnislos enden wird, während besagtes Unternehmen vor nun drei Wochen in einem Schadensersatzprozeß darin Recht erhielt, eine Millionensumme von der Bundesregierung kassieren zu können, die sich in der Endphase des Giftgastransfers justitiell etwas ungeschickt verhalten hatte, als sie diesem Tun wenigstens einen kleinen Riegel vorschieben wollte.

Macht am Ende der irakische Diktator seine Drohung wahr, wäre in der Zeit der Wiedervereinigung Deutschlands auch die endgültige Vernichtung der Juden doch noch vollzogen. Das wäre das Ende der Geschichte.

Hans Branscheidt, medico international, Frankfurt