Wie ein Ritt über den Bodensee

■ Um die Grünen-nahe Frauen-Anstiftung gibt es seit Monaten Ärger / Verhältnis zu den Frauenprojekten gestört / Schuld an vielen Mißverständnissen ist Bürokratie und Arbeitsüberlastung / 1989 gingen über 300 Anträge ein

Die Einladung kam einer Vorladung gleich - doch der Gast blieb fern. Hamburger Frauenprojekte baten die Frauen -Anstiftung Ende Februar zu einer klärenden Diskussionsveranstaltung. Doch die Anstifterinnen wollten sich nicht einfach hinzitieren lassen und sagten ab. Die Veranstaltung fiel aus, Mißtrauen und Enttäuschung auf beiden Seiten blieben zurück. Wieder einmal sorgte die Frauen-Anstiftung e.V. (FAS) in den Frauenprojekten der Republik für Unterhaltungsstoff.

„Nein“, entschied das Auswahlgremium der FAS Ende vergangenen Jahres, „mit diesem Projekt kooperieren wir vorerst nicht“, und verschickte den Ablehnungsbescheid. Das Frauenkulturzentrum „Begine“ in West-Berlin war konsterniert. „Wir sind ein feministisches Projekt, machen politische Bildungsarbeit. Wir erfüllen die Kriterien und Arbeitsschwerpunkte, die von den Anstifterinnen stets formuliert werden: feministische Ökonomie, Gen- und Reproduktionstechnologie, Staat und Autonomie, feministische Öffentlichkeits- und Internationalismusarbeit. Warum also wurde unser Kooperationsantrag abgelehnt?“ fragten die Berlinerinnen nach. Doch von den Anstifterinnen kam keine Antwort. „Wir würden zum Beispiel gerne wissen, ob wir noch mal einen Antrag stellen können. Ob wir formale Fehler gemacht haben, aber nichts“, empört sich eine der „Begine„-Mitarbeiterinnen. Die Fronten sind so verhärtet, daß die Frauenprojekte in Hamburg jegliche Antwort über ihr Verhältnis und ihre Zusammenarbeit mit der FAS verweigern. Sie fürchten, daß noch mehr Prozellan zerschlagen wird. „Wir sind keine Durchreiche“

Eigentlich hatten sich die Frauenprojekte den ganz großen Goldregen von der Stiftung erhofft. Waren doch die Perspektiven, die sich die feministische Stiftung auch in puncto Geld erhoffte, verlockend. Von 20 Millionen jährlich war die Rede, die in Zukunft - wenn die Stiftung ganz ausgebaut ist - den Frauenprojekten der Republik aus dem Bundesetat zur Verfügung stehen würden. Neun Monate nachdem das erste Geld zu fließen begann, gibt es zwischen einzelnen Frauenprojekten und der An-stiftung bereits heftigen Streit. Und wo Mißtrauen und Zank ihre Schatten werfen, kann Kooperation nicht blühen.

Die Projekte fragen: Wohin ist das Geld geflossen? Immerhin standen für das Jahr 1989 fast 780.000 DM Globalmittel auf dem Haushaltsplan der FAS.

Die Anstifterinnen sind verärgert über die „maßlosen“ Forderungen einzelner Projekte, sehen ihre Arbeit nicht gewürdigt. „Die Projekte wollen uns bloß melken, wir stecken bis über beide Ohren in Arbeit - und die ist meist ehrenamtlich. Wir bekommen 20mal soviele Anträge auf Kooperation, wie Frauen bereit sind, am Aufbau der Stiftung mitzuarbeiten.“ So sei die Stiftungsidee nicht gedacht gewesen, daß Frauen einfach die Hand aufhielten, das Geld abzockten und danach auf Wiedersehen sagten, knirschen die Anstifterinnen ziemlich verärgert. „Parteinahe Stiftungen sind keine Förderstiftungen. Wir dürfen und können das Geld nicht an Dritte vergeben und irgend etwas im Lande direkt fördern. Wir dürfen keine Durchreiche sein, sondern müssen den Stiftungszweck selbst erfüllen“, sagt Gisela Vollradt vom Frauen-, Forschungs-, Bildungs- und Informationszentrum (FFBIZ) in West-Berlin, eine der Gründungsfrauen der FAS. Vabanquespiel

Alle parteinahen Stiftungen von der Hans-Seidel- (CSU) über die Friedrich-Naumann- (FDP) bis zur Friedrich-Ebert -Stiftung (SPD) machen politische Bildungsarbeit, indem sie Tagungshäuser kaufen, einrichten und ReferentInnen anstellen, die Seminare und Veranstaltungen anbieten. Eine Grünen-nahe Stiftung wollte Alternativen dazu entwickeln. Denn das grün-alternative Wählerspektrum, Projekte und Initiativen, sollten nicht einfach wie KonsumentInnen mit politischer Bildung bedient werden. Die FAS wollte statt dessen einen erheblichen Teil der Gelder (Globalmittel) für politische Bildung in Kooperation mit der Frauenbewegung ausgeben. Denn: „Wir verstehen unter politischer Bildung all das, was Frauen tun. Und Frauenprojekte arbeiten anders, sie haben eine Struktur, die sich in der Öffentlichkeit nicht ohne weiteres vermittelt. Die Idee der Frauen-Anstiftung war es, zwischen einer unsichtbaren Basis und einer parteinahen Stiftung zu vermitteln“, erklärt Gunda Werner von der Hamburger Geschäftsstelle.

Doch die Nachhilfestunde in Sachen parteinahe Stiftung kam zu spät. Gerade der nicht traditionelle Aufbau der Anstiftung (basisdemokratisch, feministisch, dezentral) und das komplizierte Konstrukt des Stiftungsverbandes „Regenbogen“ brachte die Anstifterinnen „in Teufelsküche“ und zum Rotieren. Denn sowohl den Initiatorinnen und Mitfrauen der Frauen-Anstiftung e.V. wie auch den Frauenprojekten war nicht klar, mit welch kompliziertem, bürokratischem Aufwand eine solche Stiftung verwaltet werden muß. „Wir haben die Stiftung nur erkämpft, weil wir blauäugig waren“, sagt Helga Braun, eine der Vorstandsfrauen der FAS, „hätten wir gewußt, was auf uns zukommt, uns hätte der Mut verlassen.“ „Die Rahmenbedingungen für politische Stiftungen sind für eine nicht traditionell aufgezogene Stiftungsarbeit haarig, und frau muß alles erst erproben“, erklärt Gisela Vollradt und beschreibt die momentane Arbeit der FAS als „einen Ritt über den Bodensee“. Mit der Frauen -Anstiftung tut sich zwar ein neues Finanzinstrument auf, was auch den Frauenprojekten nützen kann, „doch wir müssen die Kooperationsaufträge an die Projekte vergeben und dann mit dem Bundesinnenministerium und dem -rechnungshof auf Heller und Pfennig abrechnen. Die ganze Verantwortung liegt bei uns. Und wenn was schiefläuft, sind die Gelder weg“, so die FAS-Vorstandsfrau.

Das Geld jedoch fließt nicht von alleine, sondern muß regelrecht bei den verschiedenen Ministerien erarbeitet werden. 1990 sollen mehr Gelder als die 4,2 Millionen Globalmittel zur Verfügung stehen. „Gerade haben wir uns das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) erschlossen“, erklärt Gunda Werner. Von dort kommen zwei Drittel aller Gelder. Allerdings kann die Frauen-Anstiftung darüber nicht allein verfügen. Die Grünen haben nämlich entschieden, daß alle Anträge zur Dritte-Welt-Arbeit durch ein gemeinsames Gremium aller drei Stiftungen, den Dritte -Welt-Ausschuß des „Regenbogens“, gehen müssen. Jedes Arbeitsvorhaben muß vom BMZ genehmigt werden. Meist fragt das BMZ bei den Botschaften der entsprechenden Ländern nach

-kommt ein Okay zurück, geht der Antrag dann meist durch. „Es ist immer ein Vabanquespiel, was geht und was nicht“, so Gunda Werner. 1990 sollen auch das Auswärtige Amt und das Ministerium für Wissenschaft und Bildung angebaggert werden. „Das ist ein gigantischer Arbeitsaufwand“, stöhnt Helga Braun, „wir brauchen einfach mehr Frauen aus den Projekten, die mitarbeiten.“ Wie alles anfing

Vor fast drei Jahren begannen die Diskussionen um eine Grünen-nahe Frauenstiftung. Frauen aus verschiedenen Projekten und Initiativen der Frauenbewegung mischten sich in die Diskussion um eine parteinahe Stiftung der Grünen. „Auf elende Quotierungsdiskussionen wollten wir uns damals gar nicht einlassen“, sagt Gisela Vollradt. „Wir waren ganz frech und boten den Grünen die einmalige Chance einer 100prozentigen Frauenstiftung an.“ Die Geldbeträge, die hierbei zur Debatte standen, waren erheblich: Bis zu 60 Millionen DM jährlich könnte eine solche Stiftung, die nach dem Willen des Gesetzgebers parteiunabhängig, aber Grünen -nah sein müßte, aus dem Bundeshaushalt beantragen. Bei der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen im März 88 fiel dann die Entscheidung, allerdings nicht für eine reine Frauenstiftung, sondern für den Stiftungsverband „Regenbogen“ mit den drei autonomen Teilstiftungen Frauen -Anstiftung, Heinrich-Böll-Stiftung und Buntstift. Doch kaum war die Satzung für das komplizierte Machwerk fertig, wurden vom Haushaltsausschuß des Bundestages die Gelder erst mal gesperrt. Begründung: Die Satzung entspreche nicht den Anforderungen für eine staatliche Förderung. Die 4,2 Millionen DM vom Innenministerium - die Globalmittel - lagen auf Eis. „Wir dachten, das geht noch ewig und wir haben noch eine Menge Zeit zum Diskutieren.“ Als die 4,2 Millionen im Juli 89 plötzlich freigegeben wurden, standen die Anstifterinnen zwar mit einer Menge Ansprüchen und Vorstellungen da, hatten aber keine funktionierende Geschäftsstelle, keine „Vergabe„kriterien, kurz: keine Ahnung, wie das Geld verwaltet werden soll. Trotz aller Schwierigkeiten beschlossen sie: Wir nehmen das Geld an. Die 4,2 Millionen wurden vom „Regenbogen“ gleichmäßig unter den drei Teilstiftungen aufgeteilt. Um das Geld nicht verfallen zu lassen, wurden Ende 1989 hektisch Kooperationspartnerinnen bei der Frauenbewegung im ganzen Land gesucht. Darauf wurde die Hamburger Geschäftsstelle mit einer wahren Antragsflut überschwemmt. Die schillernden Illusionen zerplatzten wie Seifenblasen am Bürokratismus. Die Rahmenbedingungen, die eine parteinahe Stiftung setzt, sind eng und kollidieren mit den Ansprüchen, die sich die Frauenstiftung einst auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Nach einer Haushaltsschulung im Innenministerium wurde auch den Anstifterinnen erstmals klar, wie dieses Geld überhaupt verwendet werden muß: Mit den „Globalmitteln“ soll die Stiftung ihren eigenen Aufbau finanzieren, also Geschäftsstellen einrichten, Veranstaltungen, Seminare etc. organisieren. Die Globalmittel werden vom Innenministerium in monatlichen Raten überwiesen und müssen monatlich ausgegeben werden. „Wir wollten in den Aufbau der Geschäftsstelle möglichst wenig investieren, das heißt Einheitslohn und so wenig Stellen wie möglich einrichten. Der größte Teil dieses Geldes sollte in die Kooperationsarbeit mit den Projekten fließen“, sagt Gisela Vollradt. Hehre Ansprüche, doch sie zerbrachen an dem enormen verwaltungstechnischen Aufwand. Über 300 Kooperationsanträge gingen bis zum Jahres Ende 89 in der Geschäftsstelle in Hamburg ein, „und wir wußten nicht mehr, wo uns der Kopf stand“. In der Geschäftstelle arbeiteten vier bezahlte Frauen 60 bis 70 Stunden die Woche ohne freien Abend und ohne Wochenende. Ein Teil der Arbeit wurde dann von den Stiftungsmitfrauen, Vorstandsfrauen ehrenamtlich gemacht. Für freundliche Antworten oder Informationsaustausch gab's keine Zeit mehr. „Wir haben uns mit der Aufbauphase der Stiftung ziemlich verschätzt“, gestehen die Anstifterinnen heute. „Hätten wir eine Telfonistin und eine Sekretärin eingestellt, die freundlich und hilfsbereit die Anfragen bearbeitet hätten, hätten wir uns eine Menge Ärger erspart“, sagen sie.

Ein erster Anlauf, der zur Entspannung der Situation beitragen wird und den Vernetzungsgedanken fördern soll, ist gemacht. In Hamburg, Berlin und München werden regionale Kontaktstellen mit thematischen Schwerpunkten eingerichtet, die die Kooperation zwischen Anstiftung und Projekten vor Ort besser organisieren sollen. Frau kann weiter stiftengehen.

Michaela Eck