Bündis von Realos und „Aufbruch“ zerbricht

Der Aufbruch setzt sich von den Realos ab / Der Streit um das bessere Ökologiekonzept soll auf nächstem Parteitag im Mittelpunkt stehen  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Bei der Vorstellung des Bundestagswahlprogramms der Grünen hat der Vorstandssprecher Ralf Fücks verdeutlicht, daß das gemeinsame Bündnis von Realos und Aufbruch zerbrochen ist. Dies hatte sich schon am vergangenen Wochenende zum Abschluß des Hagener Parteitags angedeutet, auf dem das Bündnis schwere Niederlagen hinnehmen mußte. Die in der „Grünen Runde“ zusammengeschlossenen Realos und Aufbruch waren bei der Präambel des Wahlprogramms ebenso gescheitert wie mit dem Versuch, die Parteilinke auszugrenzen. So wird es das für den Parteitag im Juni angekündigte, gemeinsame „Ökologische Manifest“ nicht mehr geben. Davon hatten sich einige Realos Klärung über den künftigen Kurs der Partei und eine weitere Mitarbeit versprochen. Der zum Aufbruch zählende Fücks erklärte, die „Grüne Runde sei keine gute Autorengemeinschaft“. Bei einigen Mitgliedern des Aufbruchs herrscht Unmut darüber, daß die Realos mit ihrer kompromißlosen Haltung auf dem Parteitag alle Beteuerungen, man wolle die alten „Strömungsschützengräben überwinden“, konterkariert hatten. Auch eine Initiative gemäßigter Realos um die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Christa Vennegerts, und Mitgliedern des baden-württembergischen Landesvorstands hat die Spaltungsbemühungen von Teilen der Realos scharf verurteilt.

Der Bundesvorstand beschloß einvernehmlich, den unter dem Thema Ökologie stehenden Parteitag in Juni mit einer für den Wahlkampf konzipierten Erklärung unter dem Arbeitstitel „Die ökologische Herausforderung und die Grünen“ zu beschließen. Die der Parteilinken angehörende Vorstandssprecherin Verena Krieger sagte, der Vorschlag sei von ihr ausgegangen. Im Gegensatz zum Hagener Parteitag, auf dem die Ökologie zur Erreichung anderer Ziel mißbraucht wurde, solle die Debatte klarmachen, wo die inhaltlichen Differenzen in der Ökologiefrage liegen. Die Parteilinke und insbesondere die ökologischen Fundamentalisten um Jutta Ditfurth warfen dem realpolitischen Bündnis vor, ihre Ökologiepolitik sei halbherzig und höre dort auf, wo die „Interessen der Industrie berührt werden“. Verena Krieger erklärte, „radikale Ökologie müsse zwangsläufig antikapitalistisch sein“.

Die Kritik aus Realo-Kreisen am verabschiedeten Wahlprogramm wiesen Fücks und Krieger zurück. Das Programm gebe den Grünen ein „klares Profil“, sagte Frau Krieger, und Fücks betonte, das Programm sei „umfassend und enthalte genügend Material für vielfältige politische Initiativen“. Neben einer sozialen Grundsicherung von 1.200 Mark und dem über die 35-Stunden-Woche anvisierten Ziel eines „neuen Normalarbeitstags“ von sechs Stunden wird ein dreijähriger Erziehungsurlaub verlangt, den sich Frauen und Männer teilen können. Die steuerliche Privilegierung der Ehe soll abgeschafft werden. Eine radikale Demokratisierung sei Voraussetzung eines ökologischen Umbaus der Industriegesellschaft, heißt es im Zusammenhang mit der Forderung nach einem „gläsernen Staat“. Im Programmschwerpunkt Ökologie wird eine „Energiewende unter Verzicht auf AKWs“ gefordert. Die Grünen befürworten eine Verteuerung der Energiepreise und Umweltabgaben. Sie wohlen außerdem den Abschied vom Auto durch eine Treibstoffabgabe fördern, die bis zum Jahre 2000 auf fünf Mark pro Liter steigen soll. Ab 1995 sollen nur noch Autos zugelassen werden, die im Durchschnitt vier Liter verbrauchen.