DAG-Mitglieder „real-gekauft“

■ Zweiklassen-Recht im Supermarkt: Urlaubsgeld exklusiv für DAG-Miglieder / HBV will klagen

„Jetzt ist das Maß voll“. Helmut Thiel, Bremer Geschäftsführer der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, hatte gestern gleich einen doppelten Skandal zu vermelden. Skandal 1: In allen Filialen der Einzelhandels -Kette „real-kauf“ werden die Beschäftigten in „Arbeitnehmer erster und zweiter Klasse“ aufgeteilt. Skandal 2: Ausgerechnet die Gewerkschaftskonkurrenz von der DAG hat dem Zweiklassenrecht bei real-kauf auch noch ausdrücklich zugestimmt.

Tatsache ist: Seit einem Jahr zahlt „real-kauf“, mit 35 Supermärkten und 6.000 Beschäftigten eine der größten Einzelhandelsketten im Bundesgebiet, Urlaubs

geld von 1.500 Mark nur noch an DAG-Mitglieder. So sieht es ein Haustarifvertrag vor, den die DAG im April 89 mit der „Unternehmervereinigung für Arbeitsbedingungen im Handel und Dienstleistungsgewerbe“ abgeschlossen hat und der auch für real-kauf gültig ist. Bestandteil des Vertrags ist eine Urlaubskasse, aus der ausschließlich DAG-Mitglieder einmal pro Jahr eine „Erholungsbeihilfe“ von 1.500 Mark erhalten. HBV-Sekretär Thiel: „Das ist die Einführung der DAG -Zwangsmitgliedschaft durch die Hintertür.“

Was Thiel zusätzlich ärgert: Von den ca. 400 Mitarbeitern in den drei Bremer real-kauf Märkten haben viele außerdem auch noch weniger in der Lohntüte. Grund: Während real früher nach allgemeingültigem Bremer Branchen-Tarif zahlte, sieht der bundesweit gültige Haustarifvertrag bei vielen Lohngruppen um 50 bis 100 Mark niedrigere Gehälter vor. Hinzu kommt: Auch Berufsjahre in anderen Betrieben rechnet real-kauf inzwischen nicht mehr an; wer nach 10 Jahren Arbeit für die Konkurrenz zu real -kauf wechselt, muß wieder mit dem Grundgehalt für Berufsanfänger zufrieden sein.

Für 80 Bremer real-kauf-MitarbeiterInnen will die HBV jetzt vor Gericht die Gehalts-Nachzahlung durchsetzen. Thiel: „Es

kann schließlich nicht angehen, daß die DAG einen Tarifvertrag abschließt, bei dem alle übrigen Kollegen hinten runterfallen.“ Zumindest in zwei anderen Städten hat die HBV die Arbeitsrichter von ihrer Rechtsauffassung überzeugen können.

In der real-kauf-Zentrale in Hannover sieht man den Prozessen gelassen entgegen. Justitiar Dirk Schuller: „Durch den Abschluß des Haustarifvertrags mit der DAG sind alle früheren Regelungen hinfällig geworden. Der neue Tarif ist damit auch für Nicht-DAG-Mitglieder gültig. Davon lassen wir uns auch durch gewerkschaftliches Konkurrenzdenken nicht abbringen.“

Nicht ganz so glücklich ist dagegen Karin Peetz, in Bremen zuständge DAG-Gewerkschaftssekretärin mit dem Tarifabschluß ihrer Bundesvorstandsmitglieder. Peetz: „Ich kann das gar nicht schön schminken. Ein Ergebnis, bei dem einzelne Kollegen außen vor bleiben, kann nie eine glückliche Regelung sein.“ Allerdings weiß auch Peetz: „Wir haben mit diesem Tarifvertrag nur nachgemacht, was uns die HBV vorgemacht hat.“ In der Tat: Mit der süddeutschen Handelskette Diwi hat die HBV einen Haustarifvertrag abgeschlossen, bei dem ausschließlich HBV-Mitglieder in den Genuß von Urlaubsgeld kommen.

HBV-Sekretär Thiel gestern selbstkritisch: „Stimmt zwar, würden wir heute aber garantiert nicht wieder machen.“ Wenn real-kauf nicht einlenkt, will die HBV direkt vor den Ladentoren über die real-Geschäftspraktiken informieren.

K.S.