Wie „Venedig, Rom und Florenz“

■ Kreis Königs Wusterhausen ist für drei Millionen Touristen kaum gerüstet / Besucher sollen „Stullen und eine Thermoskanne“ mitbringen / Restaurants und Hotels fehlen, Straßen sind schlecht und S-Bahnen jetzt schon überfüllt / Ein Trostpflaster: Campingplätze öffnen zu Ostern

Auf der Nase trägt Rolf Wettstaett eine Sonnenbrille, doch sonst ist der Mann vom Neuen Forum für die kommende Tourismussaison kaum gerüstet. Seit sechs Wochen amtiert Wettstaett als Rat für Tourismus im Rat des Kreises, und ebenso lange existiert dieser Posten nun. Ganze viereinhalb Mitarbeiter unterstehen dem Tourismusrat, und ähnlich dürftig sieht es mit der ganzen touristischen Infrastruktur in dem wald- und seenreichen Kreis südlich von Ost-Berlin aus. „Viel vorhanden ist nicht“, räumte Wettstaett gestern auf einer Pressekonferenz im Schloß Königs Wusterhausen ein

-und auch das dient nicht dem Tourismus, sondern als Sitz für die Kreisbehörden. Statt mit 1,5 Millionen Gästen wie bisher rechnet der Kreis in diesem Jahr mit bis zu drei Millionen Erholungssuchenden. Die Probleme, die dieser Ansturm nach sich ziehe, habe er „noch nicht im Griff“, räumte Wettstaett offen ein.

„Stullen und eine Thermoskanne mit Kaffee“ sollten Ausflügler einpacken, raten die Kreisbehörden. Einen „großen Mangel an Übernachtungs- und gastronomischen Kapazitäten“ konstatierte Wettstaett, und ebenso fehle „ein schlüssiger Überblick“, wieviele Pensionen, Restaurants oder Cafes demnächst in Privatinitiative entstehen könnten. Nicht einmal mit den Imbiß- und Toilettencontainern, mit denen Wettstaett verhindern wollte, daß die Besucher einfach in den Wald scheißen, können die Kreisbehörden sicher rechnen: Die Finanzierung ist nicht geklärt.

Private Unternehmer in spe haben überdies Schwierigkeiten, den Behörden die nötigen Genehmigungen abzuringen. „Es herrscht ein Verantwortungsvakuum“, klagte Georg Kruse, dem als Leiter des Zweckverbandes Dahme-Tourist 15 Campingplätze unterstehen. Immerhin: Nicht erst im Mai, wie sonst, sondern schon ab Ostern können Frischluftfreunde auf zwölf der 15 Campingplätze aufkreuzen - und zwar unangemeldet. Und am 1.Mai kann, so hofft Wettstaett, das geplante Fremdenverkehrsamt beginnen, Ausflügler zu beraten und die nicht vorhandenen - Betten zu vermitteln. Als „Notmaßnahmen“ würden zur Zeit 34 Waldparkplätze angelegt und zugleich eine Reihe von Waldwegen vorsichtshalber gesperrt. Wettstaett propagiert einen „sanften Tourismus“. Er plant Fahrradverleihstationen und ein Netz von Wanderwegen.

Doch die Voraussetzungen sind schlecht: Erst jetzt haben die Behörden damit begonnen, einige Wanderwege zu markieren. Die S-Bahn von Friedrichstraße fährt nur alle 20 Minuten und war schon bisher im Sommer mit Radfahrern oft hoffnungslos überfüllt. „Umfangreiche Investitionen“ wären nötig, klagte Wettstaett, bevor ein Zehn-Minuten-Takt eingeführt werden könnte. Eine Verlängerung der BVG-Buslinie bis nach Königs Wusterhausen hat die BVG abgelehnt. „Ein Glück“, meint das Neue Forum, daß auch das Angebot für Autofahrer schlecht ist: Das Straßennetz ist ausbesserungsbedürftig, und Tankstellen haben Seltenheitswert.

Auch Naturschutzwart Klaus Radestock ist in „großer Sorge“: Einige der 30 Naturschutzgebiete im Kreis sind „nur unzureichend ausgeschildert“. Ganz abgesehen davon wird wohl kaum ein Westberliner die Hinweise - „Schwarze Eule auf gelbem Schild“ - richtig deuten. Und ebenfalls unbekannt dürfte den Wessis sein, daß in den deutschdemokratischen Wäldern ganzjährig das Rauchen und offenes Feuer verboten ist. Bei großer Trockenheit, wenn die Förster die Waldbrandwarnstufen 3 oder 4 ausrufen müssen, wird der Wald

-zu 92 Prozent leicht entflammbare Kiefern - sogar ganz gesperrt.

Badeverbote waren auf den Seen im Kreis Königs Wusterhausen bisher angeblich nicht nötig. Weil Abwässer oft ungeklärt in die Gewässer fließen, sei ihr Zustand aber „generell besorgniserregend“, warnte Willi Wendel, der Leiter der Fischereiaufsicht. Erst im Mai können die Behörden feststellen, ob man auch noch in dieser Saison ohne Badeverbote auskommt. In Königs Wusterhausen gefangene Fische hat Wendel nach West-Berlin geschickt, um sie auf Giftstoffe hin analysieren zu lassen. Dort liegen sie schon seit sechs Wochen, ohne daß Wendel ein Ergebnis bekommen hat. „Sie haben wohl“, vermutet Wendel, „einiges gefunden.“ Das würde mit den Erfahrungen von Theodor Fontane übereinstimmen, der nach einer Segelpartie von Köpenick nach Teupitz notierte, diese Fahrt sei „unendlich ergiebiger“ gewesen „als Venedig, Rom und Florenz zusammengenommen“.

hmt