Begründer einer ungarischen CDU

Jozsef Antall, künftiger Ministerpräsident und Wahlsieger, strebt eine Mitte-Rechts-Regierung an  ■ P O R T R A I T

Aus Budapest Tibor Fenyi

Obwohl Jozsef Antall, der Wahlsieger und Vorsitzende des Ungarischen Demokratischen Forums, 1932 als Kind einer Politikerfamilie auf die Welt gekommen ist, hat er sich während der Diktatur politisch still verhalten. Erst im letzten Jahr ist der Direktor des Medizinhistorischen Museums Semmelweis in Budapest auf die politische Bühne getreten, und das mit schlagendem Erfolg.

„Meine Familie ist mit etwas gutem Willen als Mittelgrundbesitzer zu bezeichnen, sie hatte Besitztümer in Transdanubien“, gab kürzlich der sich bescheiden gebende künftige Ministerpräsident des Landes bekannt. Den Stallgeruch jedoch hat er kultiviert, Antall leugnet seine engen Bande zu den kleinstädtischen Mittelschichten nicht, sein politischer Stil ist davon geprägt. Nach eigener Einschätzung ist sein politisches Bewußtsein entscheidend vom Vater beeinflußt worden, der in der Zwischenkriegszeit eine der führenden Persönlichkeiten der Unabhängigen Kleinlandwirtepartei gewesen war. Antall senior, der ab 1939 Regierungskommissar für Flüchtlingsfragen war - zu einer Zeit, da das Land für 200.000 ungarische Asylsuchende aus Rumänien und mehr als 100.000 Polen zu sorgen hatte. Der Sohn bewundert ihn immer noch: „Während er Briten, Franzosen und Juden retten half, hatte er auch etwa 40.000 obdachlos gewordene deutsche Kinder in Ungarn unterzubringen; das hat er ganz offensichtlich nicht als Dienst an Nazi-Deutschland betrachtet.“ Vater Antall wurde 1944 von der Gestapo verhaftet, spielte jedoch nach dem Krieg weiterhin eine politische Rolle als Minister für Wiederaufbau und als Generalsekretär der Kleinlandwirte, bis die Kommunisten 1947 die Macht übernahmen.

Antall junior studierte Anfang der fünfziger Jahre an der Budapester Universität. 1956, jetzt Lehrer, organisierte er in der Mittelschule ein Revolutionskomitee und nahm am Gründungsversuch einer Jugendbewegung mit christlichdemokratischem Charakter teil. Tätig werden konnte die Organisation nicht - der Einmarsch der Roten Armee am 4.November vereitelte das. Jozsef Antall blieb danach im Hintergrund, auch in den siebziger Jahren, als sich in Budapest die Demokratische Opposition zu formieren beginnt. „Ich habe mich auf meinem Fachgebiet betätigt, enthielt mich demgemäß auch jeder oppositionellen Aktivität“, sagt er heute. „Dazu kommt, daß ich eher jenen Schriftstellern nahestehe, die der sogenannten ländlich-nationalen Richtung angehören.“ Und diese Schriftsteller wollten damals nicht mit den oppositionellen Intelektuellen Budapests in einen Topf geworfen werden. Im Herbst 1987 trat Antall bei der Gründung des Ungarischen Demokratischen Forums in Lakitelek jedoch aus seiner Anonymität, hielt die Gruppe, in der auch Reformkommunisten vertreten waren, für zu links und näherte sich den Kleinlandwirten an. Diese wollten ihm im November 1988 sogar das Amt des stellvertretenden Generalsekretärs anbieten, doch Antall winkte ab. Später gab er auch der Christlichdemokratischen Volkspartei einen Korb, die ihn ebenfalls umwarb. 1989 kehrte Antall zum Demokratischen Forum zurück, das sich inzwischen in Richtung Volkspartei verändert hatte. Antall versuchte nun mit Erfolg, diese Partei zu einer „Mitte-Rechts-Sammelpartei“ nach Vorbild der ÖVP oder der bundesdeutschen CDU zu entwickeln. Auf dem Kongreß der Partei im Oktober 1989 wurde er als Nachfolger des Reformkommunisten Zoltan Biro zum Parteipräsidenten gewählt. Und damit war der Richtungsstreit entschieden.

Der breiteren Öffentlichkeit präsentierte er sich als Verhandlungsführer der Opposition am Runden Tisch im Frühjahr/Sommer 1989. Als er namens seiner Partei das Abkommen mit den Kommunisten unterschrieb, wurde er in der Bevölkerung populär und aussichtsreichster Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten. Durch diese Popularität gestärkt ging er im Wahlkampf daran, vor allem die Freien Demokraten zu bekämpfen und hat damit Solidarität zwischen den beiden Strömungen der Opposition gegen das alte Regime aufgelöst. In Jozsef Antall ist wieder jene christlich -nationale Position aufgetaucht, die zuerst vom Faschismus und dann von den Kommunisten verbannt worden war.