: „Censor-nati!“
■ Museumsdirektor in Cincinnati (Ohio) wegen Mapplethorpe-Ausstellung angeklagt / Vorwurf der Obszönität / Law-and-order-Politik des örtlichen Sheriffs in „Porkopolis“
Berlin (wps/taz) - Meinungsfreiheit? Freiheit der Kunst? Dazu hat der Sheriff von Cincinnati im US-Bundesstaat Ohio seine eigene Meinung: Eine Ausstellung des 1989 verstorbenen Fotografen Robert Mapplethorpe, dessen Bilder nicht einmal in der Regierungshauptstadt Washington ausgestellt werden konnten, kommt in seiner Stadt nicht in die Tüte. Und wenn Sheriff Leis das sagt, dann wird gehandelt: am Samstag marschierten seine Mannen ins „Museum für zeitgenössische Kunst“, filmten die 175 Schwarzweißfotografien mit Videokameras und schlossen die Ausstellung vorübergehend. Grund: die meist homoerotischen Bilder seien obszön und würden gegen geltendes Recht verstoßen. Noch am gleichen Tag wurden die 175 Bilder heimlich von einer lokalen Geschworenengruppe vor Ort begutachtet. Ihr Fazit: auf sieben Fotos seien Mißbrauch und Verführung Minderjähriger zu pornographischen Zwecken abgebildet. Am Sonntag dann bestätigte ein zuständiger Richter diese bisher erste Anklage in den USA gegen ein Museum, das erotische Fotografien ausstellt, untersagte aber dem Sheriff weitere Rollkommandos.
Selbst im erzkonservativen Cincinnati - das im letzten Jahrhundert stark von deutschen Einwanderern geprägt worden war und daher das Schwein als Wahrzeichen wählte - ist dies eine ungeahnte Steigerung. Wo bisher das Law-and-order -Regime des Sheriffs ausreichte, daß Kinos der Stadt umstrittene Filme wie Scorceses „Die letzte Versuchung Christi“ gar nicht erst zeigten, wird nun auch juristisch das Engagement einzelner desavouiert. „The perfect moment“ ist der Titel der Ausstellung. Am Sonntag standen neugierige BesucherInnen hunderte Meter Schlange, nach zwei Tagen hatte man 10.000 Eintrittskarten verkauft. Als der Sheriff am Samstag angerückt kam, hatten Hunderte gerufen: „Gestapo, hau ab!“ Und vor dem Ausstellungsgebäude verteilten Mitglieder einer Anti-Zensur-Organisation Sticker: „Robert Mapplethorpe: Auch der richtige Moment, die Kunst zu verteidigen.“
AS
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