piwik no script img

USA: Dicke und heiße statt saubere Luft

Die Neufassung des US-Luftreinhaltungsgesetzes gilt als Prüfstein für den „Umweltpräsidenten“ (Bush über Bush) / Senat stimmt industriefreundliche Gesetzesvorlage ab / UmweltschützerInnen hoffen auf Repräsentantenhaus  ■  Aus Washington Silvia Sanides

„Wir danken dem Präsidenten, weil er sagt, er sei ein Umweltschützer“, erklärte David Brower von der Umweltorganisation „Earth Island Institute“ kürzlich, „und wir werden ihm wieder danken, wenn er tatsächlich ein Umweltschützer wird.“ So bescheiden sind die Forderungen der amerikanischen Umweltvertreter nach acht Jahren Reagan geworden. Einen Grund zur Dankbarkeit haben sie dieser Tage nicht. Denn bei der Revision des Luftreinhaltungsgesetzes erweist sich Präsident Bush durchaus nicht als Umweltschützer. Die Neuerung des Gesetzes gilt als Prüfstein für den selbstproklamierten Umweltschützer im Weißen Haus.

In der vergangenen Woche verabschiedete der Senat eine Version des Gesetzes, die weitgehend von der Bush-Regierung diktiert wurde. Das Urteil der Umweltorganisationen fiel vernichtend aus: „Unzählige private Interessen“ stünden hinter dem Gesetz, erklärt Ed Bark, Sprecher der „Clean Air Coalition“. Die „Coalition“ ist ein Verband von Umweltgruppen, die sich für die Verbesserung der Luftqualität einsetzen. Das 1970 erstmals erlassene Luftreinhaltungsgesetz liegt den UmweltvertreterInnen besonders am Herzen, weil es zum weltweiten Vorbild für Emissionsschutzgesetze wurde. Seine strengen Forderungen veranlaßten die amerikanische Autoindustrie zur Entwicklung des Katalysators. Vor 13 Jahren wurde das Gesetz zum letzten Mal revidiert, dank Reagans industriefreunlichem Kurs wurde eine Überarbeitung nicht vorgenommen.

Öl-, Auto-, Chemie-, Kohle- und Stromindustrie haben der jetzigen Gesetzesvorlage ihren Stempel aufgedrückt. Das zeigt allein die Wahl der Gesetzesschreiber. Nicht der Vorsitzende der Umweltschutzbehörde, William Reilly, sondern Kabinettsmitglied Roger Porter vertrat die Bush-Regierung bei der Erarbeitung des Gesetzes. Während Reilly, früherer Vorsitzender des World Wildlife Fund, als akzeptabler Umweltvertreter gilt, ist Porter als Mitglied der „Gang of Four“ bekannt. Für die unter Führung von Stabschef John Sununu agierende „Gang“ sind Umweltschützer „Extremisten“. Bei der Erarbeitung des Gesetzes, dies geben selbst die beteiligten Senatoren zu, hatte man nicht die Umwelt, sondern die Kosten im Visier. Nicht mehr als zusätzliche 20 Milliarden Dollar jährlich, hatte Bush gewarnt, dürften die Gesetzesneuerungen die Industrie kosten. Sonst würde er ein Veto einlegen. Bisher hat die US-Industrie 33 Milliarden Dollar im Jahr für Luftreinhaltemaßnahmen ausgeben müssen.

Besonders verärgert sind die Umweltvertreter, weil die Autoindustrie glimpflich davonkommen soll. Die vorgeschriebenen Emissionseinschränkungen von Stickoxiden und Kohlenwasserstoffen, Hauptverursacher von Smog, sind zu großzügig. Die Automobil-Lobby hatte wie immer über die zusätzlichen Kosten geklagt und ihren Forderungen mit großzügigen Spenden Nachdruck verliehen. „Die alte Leier“, weiß Barks. „Als das Luftreinhaltungsgesetz 1970 verabschiedet wurde, drohten die Autofabrikanten ebenfalls mit dem Untergang der US-Autoindustrie. Fünf Jahre später waren hier fast alle Autos mit Katalysatoren ausgerüstet. „Außerdem“, so Bark, „sollten die ihr Geld in die technischen Neuerungen stecken, anstatt Kongreßabgeordnete zu schmieren.“

Erfreut sind die UmweltschützerInnen nur über einen Punkt in der Gesetzesrevision: die Bestimmungen zur Bekämpfung des sauren Regens. Bis zum Jahr 2000 sollen Kraftwerke ihre Schwefeldioxidemissionen um zehn Millionen Tonnen, bis 2005 die Stickoxide um vier Millionen Tonnen reduzieren. Die Bestimmungen reflektieren Bushs Standpunkt, daß „die Zeit der Forschung“ über sauren Regen vorbei ist. Sein Vorgänger Reagan hatte sich des Problems mit der Bemerkung entledigt, es müsse erst weiter geforscht werden.

Während die Seen und Wälder der Neuenglandstaaten erstmal aufatmen können, sind die Staaten in den Appalachen, wo schwefelreiche Kohle produziert wird, schlecht dran. Kraftwerksbetreiber werden lieber schwefelarme Kohle importieren als Schutzvorrichtungen einbauen, befürchtet Senator Robert Byrd aus Westvirginia.

Noch aber ist nicht aller Tage Abend. Umwelt- und Industrielobby bleibt ein weiterer Weg, die Endfassung des revidierten Gesetzes zu beeinflussen. Nach dem Senat wird nun in den nächsten Wochen das Abgeordnetenhaus seine Version der Gesetzesneuerung erarbeiten. Im Haus sind die AnwältInnen der Umwelt besser als im Senat vertreten, meint Bark, so daß sich noch einiges gradebiegen läßt. Das endgültige Gesetz wird dann ein Kompromiß der beiden Fassungen sein. Es soll Ende Mai dem Präsidenten zum Unterzeichnen vorgelegt werden. Und wenn sich das Haus zu weit vorwagt? Wird Präsident Bush seine Drohung wahrmachen und ein Veto einlegen? Nein, meint Bark. Dafür habe Bush die „Umweltflagge zu heftig geschwenkt“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen