Strahlende Bundesbahn

■ Auf Initiative der Eisenbahnergewerkschaft überwacht die Bahn die Strahlenbelastung ihrer Bediensteten durch Atomtransporte / Öko-Institut hatte unzulässig hohe Dosen vorhergesagt

Hamburg (taz) - Auf Druck der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschland (GdED) untersucht die Deutsche Bundesbahn zur Zeit auf fünf Bahnhöfen die mögliche Strahlenbelastung von Bahnarbeitern durch Atomtransporte. Auf den Rangierbahnhöfen Braunschweig, Frankfurt, Pforzheim, Worms und Saarbrücken wurden Rangierer und andere Bahnbedienstete mit Dosimetern ausgerüstet, um so die individuellen Strahlendosen zu ermitteln. Das bestätigte ein Sprecher der Bundesbahnzentrale in Mainz. Mit Ergebnissen der Untersuchungen wird im Juni gerechnet.

Darüberhinaus sind seit dem 15. Januar am Bahnhof Hamburg -Harburg Bahnpolizisten mit Dosimetern ausgestattet, die regelmäßig Transporte hochradioaktiver, abgebrannter Brennelemente auf den Strecken zwischen den drei norddeutschen AKWs Krümmel, Brunsbüttel und Stade und dem Rangierbahnhof Maschen, südlich der Hansestadt, begleiten. Ziel der Atomtransporte ist meist die französische Wiederaufbereitungsanlage am Cap de La Hague. Bemerkenswert an der Harburger Untersuchung scheint allerdings deren Start am 15. Januar: Der größte Teil der Brennelemente aus den drei genannten AKWs war bereits zuvor - zwischen Oktober vergangenen und Januar diesen Jahres - abgefahren worden. Danach haben nur noch wenige Transporte stattgefunden. Nach Angaben eines Bahn-Personalrates ist die Untersuchung in Harburg nur möglich geworden, weil in Saarbrücken einige Dosimeter übrig waren.

Auslöser der Untersuchungsreihe waren ursprünglich Modellrechnungen des Öko-Instituts Darmstadt, die die Wissenschaftler im Auftrag der GdED durchgeführt hatten. Danach ist das Bahnpersonal auch bei nur wenigen Atomtransporten hohen Strahlenbelastungen ausgesetzt. Im Mai 1988 bezeichnete es der damalige GdED-Vorsitzende Ernst Haar (SPD) als „unverantwortlich“, daß die Strahlenüberwachung und Betreuung bei der Bahn nicht dem in der Nuklearindustrie üblichen Standard entspreche. Im Frühjahr 1989 legte die Bahn dem Hauptvorstand der GdED bis heute nicht veröffentlichte stichprobenartige Meßergebnisse vor. Sie sollten belegen, daß die Prognosen des Öko-Instituts jeder realen Grundlage entbehren. Tatsächlich, so die Bahn, würden die vom Öko-Institut unterstellten Werte beim Transport radioaktiver Güter in der Praxis deutlich unterschritten.

Seit Herbst letzten Jahres wird nun in Frankfurt und Braunschweig der Frachtgutdienst überwacht. Worms, Pforzheim und Saarbrücken sind Durchgangsstationen für die Transporte mit abgebrannten Brennelementen. Mehr als 100 solcher Transporte gehen jährlich nach Frankreich. Bis zum Herbst 1989 liefen nahezu alle Transporte abgebrannter Brennelemente aus dem Bundesgebiet über Saarbrücken zur Wiederaufarbeitung. Dies ist im Herbst geändert worden. Seither rollen nur noch die Brennstäbe aus den südlichen AKWs über Saarbrücken.

Dirk Seifert