Schwere Sicherheitsmängel bestätigt

Dänischer Fährenbrand belastet Reederei und Kapitän / Mindestens 170 Tote / Brandstiftung fast sicher  ■  Aus Lysekil Reinhard Wolff

Nach dem endgültigen Löschen des Feuers sind seit Sonntag abend die Bergungsarbeiten an Bord der „Scandinavian Star“ in vollem Gang. Die sterblichen Überreste der verbrannten und erstickten Menschen werden von Feuerwehrleuten von Bord geschafft und in Kühllastwagen nach Oslo gefahren, um sie zu identifizieren. Dort wurde ein Krisenzentrum für die Angehörigen der Toten eingerichtet, deren Zahl die Polizei auf mindestens 170 Menschen, darunter zahlreiche Kinder, schätzt. Die genaue Zahl wird jedoch erst feststehen, wenn jeder Winkel des Schiffes durchsucht ist. Gleichzeitig erhärteten sich die schweren Vorwürfe gegen Reederei und Schiffsführung. Hugo Larsen, der norwegische Kapitän, mußte zugegeben, daß seine Mannschaft keine Sicherheitsunterweisung erhalten habe. Bestätigt wurden Berichte von Überlebenden, daß Feuerlöscher und Rettungsboote zum Teil funktionsuntüchtig waren und die Besatzung versagt hat. Die massiven Vorwürfe, er habe etwa 150 Passagiere auf dem brennenden Schiff zurückgelasssen und Rettungsarbeiten mit der Behauptung verzögert, es sei niemand mehr an Bord, wies der Kapitän zurück.

Wegen der Brandursache konzentriert sich die Polizei auf eine wahrscheinliche Brandstiftung. Dafür spricht, daß das Feuer an zwei oder drei Stellen kurz hintereinander ausgebrochen sein soll. Die Polizei vernahm einen Zeugen, der eine Person beim Feuerlegen in den oberen Decks beobachten konnte.

Unterdessen haben die Gewerkschaften ÖTV und DAG vor den Sicherheitsrisiken durch sogenanntes Ausflaggen gewarnt. Um Steuern und Mannschaftsheuer zu sparen, lassen Reedereien ihre Schiffe unter „Billigflagen“ von Ländern wie Panama, den Bermudas oder Bahamas, wie im Fall der „Scandinavian Star“, fahren. Den „Gewinnmaximierungsgesichtspunkten“, so DAG-Chef Roland Issen, fielen so die strengeren europäischen Sicherheitsnormen zum Opfer.