DDR: Markt soll Löhne bestimmen

■ Frühjahrsgutachten der „Fünf Weisen“: Löhne überhaupt nicht festlegen / Betriebsschulden erlassen

Berlin/Bonn (dpa/taz) - Die führenden bundesdeutschen wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute, die „Fünf Weisen“, haben in ihrem am Montag veröffentlichen Frühjahrsgutachten prognostiziert, daß die Währungsunion in der DDR nicht zu Inflation führen, sondern für fallende Preise sorgen werde. Dies könnte zu einer erheblichen Verringerung oder gar dem Wegfall der Teuerungszuschläge führen, die derzeit in Bonn als Mittel gehandelt werden, den 2:1-Umtauschkurs für Löhne und Gehälter sozial abzufedern.

Außerdem schlagen die Institute vor, die Währungsunion nicht mit einem festen Umstellungskurs 1:1 oder 2:1 zu verbinden; am Tag X sollen vielmehr in den Betrieben das jeweilige Lohnniveau einzeln ausgehandelt werden. Es sei nicht damit zu rechnen, daß zu diesem Zeitpunkt schon funktionsfähige Tarifvertragsparteien existieren würden.

Auf Expertenkritik ist dieser Vorschlag schon kurz nach der Veröffentlichung gestoßen: „Vor dem Kleinkrieg der Lohnfindung von Betrieb zu Betrieb“ müßte das Ausgangsniveau politisch festgelegt werden, zitiert die Nachrichtenagentur 'dpa‘ Fachleute, ohne Namen zu nennen.

Außerdem schlagen die „Fünf Weisen“ vor, den mit rund 260 Milliarden Mark in der Kreide stehenden DDR-Betrieben und der Wohnungswirtschaft mit ihren Krediten von 108 Milliarden Mark auf einen Schlag alle Schulden zu erlassen. Der Grund: Selbst bei einer 2:1-Umstellung würden die Zinsen vielen Firmen den Garaus machen. Die Kreditinstitute der Deutschen Demokratischen Republik müßten Ausgleichsforderungen von rund 70 Milliarden DM stellen, wenn auf der anderen Seite die Sparguthaben, von dem 2000-Mark-Sockel abgesehen, 2:1 umgetauscht werden. Beim 1:1-Umtausch der Sparguthaben wären es 170 Milliarden DM. Die Bundesbank oder die Bundesregierung müßte praktisch auch für die Zinsen auf diese Forderungen bürgen; sie belaufen sich auf etwa acht bzw. bei 1:1 auf rund 13 Milliarden DM.

diba Siehe auch Wirtschaftsseite 11