Geschäfte mit Kindern?

■ Kindergärten als Spekulationsobjekte

Montag morgen, Kindergarten FAB in der Storkower Straße: Das Haus ist bunt bemalt, davor viele Kinder mit ihren Eltern. Protest gegen ein Hausverbot, das ab sofort den Zutritt verwehrt. Ursache: VEB Goldpunkt als zeitweiliger Mieter hat mit Wirkung vom 1.4. die Finanzstützung gekündigt, seine Betriebskindergartenkinder auf die Straße gesetzt. Begründung: die veränderte marktwirtschaftliche Situation.

Derweil wird in der Greifswalder Straße am Investbau weiter gebaut - ein Projekt von weit über 100 Millionen! Der Kindergarten kostet die Fabrik jährlich 100.000 Mark! Ökonomiedirektorin Schmiech glänzt in Abwehr und Zynismus, ist ganz Unternehmerin frühkapitalistischen Typs. Die Kommune solle nun mal machen! So der Tenor ihrer „Ausführungen“. Gleiches dann vom im Lada vorfahrenden Betriebsdirektor Henry Priesemuth, der sich eines überlegenen Lächelns nicht erwehren kann. Bezeichnendes für die Eltern! Und beim anschließenden „Gespräch“ im Erzieherzimmer hagelt es Angriff und Verbittertheit auf Elternseite, nicht stichhaltige Gegenargumente der Betriebsvertreter, das Wort „Präzedenzfall“ fällt seitens des „Herrn“ Priesemuth (er soll intensiv eine Privatisierung betreiben!).

Präzedenzfall für wen? Diese Frage steht im Raum, denn im Prenzlauer Berg gibts 17 Betriebskindergärten und 50 kommunale, in Berlin sind es 125 Betriebseinrichtungen! Der kurzen Wege wegen wurden auch „betriebsfremde“ Kinder eingewiesen, „echte“ Goldpunkt-Mitarbeiterkinder kamen dafür in kommunale Einrichtungen. Insgesamt also eine sich ausgleichende Situation mit sozialen Verpflichtungen, aus denen sich Goldpunkt als Vorreiter (?) entfernen möchte. Vorreiter für wen? Natürlich will Direktor Priesemuth für die 5 Goldpunktkinder zahlen, die weiteren 50 hingegen sind im Aus! Gegenrechnung der derzeitigen Stadtbezirksrätin Dörrmann: Sie hatte in der Schnelle über 20 Betriebskinder in kommunalen Kindergärten entdeckt, eine Zahl, die weit höher liegen dürfte! Ort des Geschehens war inzwischen das Dienstzimmer des stellv. Bürgermeisters Schnejkal mit weiterhin harten Fronten. Einziges Ergebnis am Schluß: Goldpunkt zahlt noch bis zum 30.6., Direktor Priesemuth ließ sich „überzeugen“.

Doch was nach dem 6. Mai mit den Zahlungen wird - man pokert! Vorschlag der Eltern: Bis zum 30.4. müssen alle Betriebskindergärten in kommunale Hand überführt werden, die Betriebe auf ihre Besitzrechte entschädigungslos und unwiderruflich verzichten, gleichzeitig auch per Finanzüberweisung der Unterhalt bis 31.12 90 gesichert sein! Nur so können sich Betriebe aus der sozialen Verantwortung lösen, nur so können die Kommunalhaushalte die plötzliche Lage bewältigen! Fakt ist, daß Goldpunkt ein Zeichen setzte, dem weitere Versuche folgen werden. Gefragt ist nun eine Magistratsentscheidung!

Es geht um unsere Kinder, die nicht Opfer der politischen Entwicklung sein dürfen! Und es geht auch um ihre Eltern, viele von ihnen alleinerziehend und somit potentielle Sozialfälle, es geht um die Arbeitsplätze der pädagogischen und technischen Kräfte! Nur wenig Zeit ist zur Klärung vorhanden - diese muß sauber und konkret geschehen! Die taz berichtet weiter.

Ulrich Koch