Liedermacher auf ConTAKTsuche

■ Neue Sendereihe im Deutschen Fernsehfunk seit vergangenem Donnerstag / Gerhard Schöne als erster Moderator / Einfühlsame Studiogestaltung / Nur knappe 10 Minuten Zeit für Gespräche

Das Fernsehen hatte sie gemieden und sie mieden das Fernsehen. Aus guten Gründen!

Nicht eine Szene wurde mit der Liedermacherszene der DDR gedreht. Kein Wunder. Damals. Galten sie doch so manchem Apparatschik als Quer-, gar Andersdenkender, als Oppositioneller und Miesmacher. Fürs Fernsehen waren sie tabu und das, obwohl (oder vielleicht gerade, weil) sie Kirchen, Festwiesen, Konzertsäle füllten. Sicher, es gab die Pfundgrube von Frau May, aber von den unbequemen singenden Fragern war da nichts zu hören.

Ihre Namen wurden gehandelt als Den-mußt-du-unbedingt -gesehen-haben. Wenn man ihnen zuhörte in vergangenen Zeiten, fühlte man sich stärker, gegen dieses aufkommende Gefühl der Ohnmacht, der Resignation, der Hoffnungslosigkeit angehen zu können. Stets waren es in diesem Lande auch die Liedermacher, die in konfliktreichen Zeiten Auslöser gesellschaftlicher Bewegung wurden: Biermann, Wegener, Krawczyk...

Und jener Protagonisten der deutschen Oktoberrevolution nahm sich nun nach einem reichlichen halben Jahr der Deutsche Fernsehfunk an!

Und will ihnen somit die zu gönnende größere Öffentlichkeit öffnen. Neben den großen bunten Unterhaltungskesseln, dem Strom von Nachrichten und Magazinen eine dreiviertel Stunde, die des Nach-Denkens wert ist.

Gerhard Schöne bot als erster Sänger ConTAKTE: Lieder, Macher & Co. Schöne war beste Wahl, schließlich hat er über die Szene hinaus ziemliche Popularität erreicht. Weil er jene ehrliche Zivilcourage bewies, die vielen die Hoffnungslosigkeit nahm. Und von seiner Ehrlichkeit nichts eingebüßt hat.

Die Hürden der Zensur sind abgeschüttelt. Wird man jetzt über die Hürden der Einschaltquote stolpern? Gerhard Schöne sprach von eigenen Hemmungen, diese 45 Minuten zu moderieren, und die waren spürbar.

Zunächst erläuterte er das Prinzip der Sendereihe. Ein Liedermacher lädt sich Gäste, in diesem Fall Stefan Körbel und Jörn Brumme, ein. Von diesen Gästen ist beim nächsten Mal einer der neue Gastgeber und holt sich wieder die Leute seiner Wahl auf die Bühne. Und so weiter.

Im Prinzip ist das Prinzip einleuchtend und dürfte für genug Stoff reichen. Man erfährt nebenbei noch, wer mit wem befreundet ist, wer welchen Geschmack hat. Die Macher auf der Bühne sind miteinander vertraut, das hilft Berührungsängste gegenüber dem Medium Fernsehen abzubauen. Aber in den zu kurz geratenen Talks offenbart sich der Mangel dieses Prinzips.

Ein Fernsehtalk braucht mehr als ein Rundtischgespräch im Stammcafe. So locker auch Vertrautheit werden läßt, die Wir -Insider-Stimmung darf nicht zusätzlich geschaffen werden. Klar will man ein spezifisches Publikum ansprechen. Aber das ist noch immer größer als die Liedermachergemeinde.

Schöne packte seine Moderatorenrolle, von seinen Gästen mehr als nur die Lieder hören zu lassen. Aber radikale Schnitte setzen den Befragungen eine Zäsur. Knappe 10 Minuten blieben an Gespräch, um von jedem wenigstens drei Lieder vortragen zu lassen. Dazwischen dann wie immer das andächtig lauschende, lachende und klatschende Publikum (wie man es aus einschlägigen Regieeinfällen der U-Branche kennt).

Bei Stefan Körbel und Jörn Brumme zeigten sich schöne verschiedene Handschriften. Körbel, den Kennern von Karl's Enkeln und seinem Ketzerkalender bekannt. Melancholie, Trauer, Resignation blieben als Grundstimmung hängen. „Befreit vom Eise, entmachtet die Greise, verscherbelt das Land. Schon wieder Verrat.“ Eine ganz tolle Tina Tandler läßt dazu das Saxophon heulen. Die typische Larmoyance der Künstler? Autonomie auf 'nem Bauernhof besingt Körbel und sieht sie als einen Weg?

Frecher, bissiger, auch zynischer Jörn Brumme. Früher machte er Kinderprogramme. Sprache und Stil deftig, treffend. Vielleicht, daß dahinter die Sensibilität zu finden ist, die Liedermachen ermöglicht. Jeder hat seinen Panzer. Aber wird man getroffen, betroffen, steht man nackig da. Auch auf der Bühne, mit seinen Liedern, so Brumme.

In einem Konzert ist man diesem Gefühl näher. Das Fernsehen schafft da objektiverweise Distanz. Das Publikum im Studio, das um die Bühne saß, hatte es um vieles besser. Denn bei den Liedermachern kommt es auf Stimmung an. Durch einfühlsame Studiogestaltung versuchte das Fernsehteam die Distanz zu nehmen. Schlichtheit. Klare Farben. Grünpflanzen, die hier nun endlich hinpassen. Keine protzigen Sitzecken. Im Mittelpunkt die alles beherrschende Bühne. Im Hintergrund geöffnete Türen, wohl Symbol für den Sendetitel.

Schwer werden sie es haben, die Lieder, Macher & Co., in diesen lauten Tönen auf die Zwischentöne aufmerksam zu machen. Die Leisen sind im Gebrüll immer schwerer auszumachen. Aber sie sind noch nie untergegangen. Gerade haben sie begonnen zu gehen. Wohin? Zu wünschen - es wären nicht die einsamen Wege. Auch wenn sie sich schon wieder als Träumer und Naive belächeln.

Artur Sonneberg