Ab durch die Mitte und über die Grenze

Scharfe Augen beim DDR-Zoll, aber mit neuer Brille / Kleine Gauner gehen ins Netz / Die großen Haie werden in Kooperation gefischt  ■  Aus Berlin Marion Fischer

Mit dem neuen politischen Wind in der DDR lockerte der DDR -Zoll seine Einfuhrbestimmungen und glich die Regeln der Posteinfuhr dem Reiseverkehr weitgehend an. Überholt ist allerdings schon wieder die Wertgrenzendifferenzierung zwischen Einreisemitbringseln und Paketinhalten, denn so wie man schon lange jeden Tag ein Päckchen oder Paket auf die Reise schicken konnte, kann man - vorausgesetzt Mann oder Frau ist Deutsche(r) - nun auch jeden Tag die Grenze passieren. Beschränkungen für die Einfuhr politischer Periodika und weiterer 150 Arzneimittel sind seit 1. Januar 1990 aufgehoben.

Die Blaugrauen kümmern sich da nur noch um den Stopp rechtsextremistischer Materialien, also gegenwärtig vor allem der Republikaner, an unseren Grenzen. Sogar Pornos haben inzwischen einen „grünen Korridor“, sofern sie nicht hart sind oder sich mit Kindern befassen.

Allein der Postzoll bewältigt gegenwärtig einen monatlichen Berg von 900.000 Päckchen und Paketen, in denen das geschulte Auge im März zwei Mal Rauschgift, diverse Waffen, Munition und Münzen aufspürte.

Neben Materialien der Reps fanden sich in den Sendungen vor allem auch größere DDR-Mark-Beträge, die die Absender in die kommende Währungsreform mit einspeisen wollten. Da fanden sich, wie der Leiter der Zoll-Pressestelle Dietrich Feldmann gegenüber TAZ angab, 20.000 Mark in Rostock und 6.000 Mark in Dresden, jeweils im Kaffepäckchen; 4.950 Mark in Leipzig in Tee- und Gewürzdosen, 1.000 Mark in Berlin zwischen Buchseiten und 2.500 Mark in Frankfurt/O. in einem Plüschtier. Die großen Spekulationen gehen dessen ungeachtet im Reiseverkehr über die Grenze, wo der Zoll nur Stichproben machen kann, und jeder kann sie vor dem Bahnhof Friedrichstraße, auf dem Alex und sonstwo auf den Marktplätzen der DDR live verfolgen. Für den Bereich Postzoll schätzt Herr Feldmann die Erkennungsrate von Zollverstößen auf 95 bis 98 Prozent, während es beim Reiseverkehr kaum zuverlässige Schätzungen gibt.

Für die Postzollbeamten verbesserten sich übrigens in der Röntgenkontrolle die Arbeitsbedingungen durch automatische Vorführanlagen, so daß sie ihren Dienst nicht mehr in winzigen, stockdunklen Räumen versehen müssen.

Verbesserungen soll es auch in der Zollabfertigung im Reiseverkehr geben, indem an Grenzübergängen, wo genügend Platz ist, grüne und rote Schleusen eingerichtet werden.

Im Postzollverkehr werden beanstandete Sendungen zurückgewiesen, der Absender erhält sie also zurück. Nur bei den „dicken Brocken“ erfolgt eine Beschlagnahme. Besonders bei der Ausfuhr ist der Zoll sehr kulant und drückt bei Kleinigkeiten gern mal ein Auge zu. Das hängt mit dem veränderten gesellschaftlichen Umfeld zusammen, erklärt Herr Feldmann. Gemäß Artikel 36 des Weltpostvertrages und Artikel 19 des Postpaketabkommens mit der BRD ist es verboten, Briefe (außer Aufzählungen des Inhalts) in Paketen und Päckchen mitzuschicken. Das ist so, weil die Post auf ihr Geld kommen will, Stichwort: Portohinterziehung. Da es sich nicht um Geld für den Zoll handelt, wird auch diese Regel nicht zu pingelig ausgelegt, und die Post selbst kontrolliert ja das Innere der Sendungen nicht.

Mit Tempo 90 will der DDR-Zoll die Zusammenarbeit mit der Bundeszollverwaltung der BRD und der Oberfinanzdirektion von Westberlin entwickeln. Seit März gibt es Absprachen zwischen beiden Seiten. In Anpassung an die Praxis in der BRD und damit natürlich auch an die Rechtslage in der EG soll der DDR-Zoll in erster Linie zur Regulierung des Außenhandels mit fiskalischen Mitteln wirksam werden, also außer Zöllen auch Einfuhr- und besondere Verbrauchssteuern einnehmen. Lehrgänge in der DDR und der BRD bereiten die Fachleute auf diese Aufgaben vor, Organisationsstrukturen werden angepaßt. Es bleibt jedoch dabei, daß Zollhoheit in der DDR nur vom DDR-Zoll wahrgenommen wird. Für Arbeitsteilung oder die Zusammenlegung mancher Zollkontrollhandlungen fehlen bisher vertragliche Regelungen zwischen beiden deutschen Staaten.

Weltoffen und kooperativ agiert der DDR-Zoll auch bei der Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels. Jüngste Beispiele sind die Unterstützung einer US-Fahndungsaktion gegen einen kolumbianischen Schmuggelring und die erfolgreiche Erkennung einer Kokain-Transaktion auf dem Flughafen Schönefeld am 3. März aufgrund eines Hinweises der Amsterdamer Drogenfahndung.