Grünenstraße platt, Kulturbehörde auch

■ Künftiges Domizil der Kommunalen Galerie abgerissen / Bausenator genehmigte, Scherf nicht einmal gefragt

Die Bremer Politik mit dem Abrißbagger wird fortgesetzt. Pünktlich um 8 Uhr morgens erschien gestern im Auftrag der Bremischen Gesellschaft ein Bautrupp in Begleitung mehrerer Polizeibeamter in der Grünenstraße. Am Nachmittag war von der ehemaligen Lagerhalle eines Spirituosenvertriebs und dem angrenzenden Bürogebäude nichts mehr übrig als ein Haufen Bauschutt mit einem Häuflein stinksaurer Nachbarn drumrum.

„Voll ätzend“ fanden nicht nur die Bewohner des besetzten Nachbarhauses in der Grünenstraße 18 die Nacht- und Nebelaktion. Sie waren am Morgen aus den Betten geholt worden mit der Ankündigung: „Machen Sie sich keine Sorgen, ihr Haus wird noch nicht abgerissen.“ In der Nacht zum Dienstag waren die Wachtposten gegen potentielle Hausbesetzer um mehrere Nachtwächter und zwei Rottweiler verstärkt worden.

Knallsauer reagierten auch die Anwohner, die ihre Autos beim Aufbruch zur Arbeit vergebens suchten. Im Umkreis der Abrißaktion waren PKWs kurzerhand und vorwarnungslos von den fest vermieteten Parkplätzen abgeschleppt worden. Als die Grundstückseigentümerin, von ihren Parkplatzmietern alarmiert, eintraf, fand sie ihr Gelände bereits in eine Trümmerlandschaft verwandelt. Auch ihr hatte niemand gesagt, daß ihr Eigentum vorübergehend als Schutthalde benötigt würde.

Ungläubig sprangen auch die Nachbarn im angrenzenden Kulturzentrum „Am Deich“ von ihren Leinwänden zurück, als das

erdbebenartige Getöse einstürzender 20-TonnenDecken sie plötzlich aus der Künstler-Inspiration riß. Doppelter Ärger: In die Lagerhalle, die es seit gestern nicht mehr gibt, sollte eigentlich die Kommunale Galerie einziehen, die ihr bisheriges Domizil in der Weserburg zugunsten der Teerhofbebauung aufgeben muß.

Seit fast eineinhalb Jahren verhandelt die Planungswerkstatt Bremen, die im Auftrag des Senators für Wissenschaft und Kunst gegenwärtig die ehemalige Lagerhalle am Deich zum Künstlerzentrum ausbaut, mit Kultursenator, Grundstücksamt und Baubehörden über die künftige Nutzung der beiden kommunalen Gebäude. Die Anfragen, Bauentwürfe, Zeichnungen und Kalkulationen füllen inzwischen einen ganzen Aktenordner. Im Prinzip waren sich Kulturbehörde, Kommunale Galerie und Planungswerkstatt einig: In die leerstehende Halle zieht - auf 30 Jahre mietfrei - die Galerie ein, darüber sollten behindertengerechte Atelierwohnungen entstehen. Auch das angrenzende Bürogebäude wollten die Planungswerkstatt-Architekten zu Wohnungen umgestalten. Seit gestern sind diese Pläne Makulatur.

Hans-Joachim Manske, Kulturreferent bei Kunstsenator Henning Scherf, bestätigte gestern die Verhandlungen um die Nutzung der Lagerhalle als Ausstellungsfläche. Allerdings seien die Überlegungen in den letzten Wochen in den Hintergrund getreten, weil vorrangig die Belegung mit Übersiedlern geprüft werden sollte.

Daß weder Bilder noch Übersiedler, sondern Bagger kommen sollten, erfuhr Manske allerdings erst, als die Bautrupps der Bremischen bereits vollendete Trümmer-Tatsachen geschaffen hatten: Bausenator Kunick, dessen Behörde für die am Freitag erteilte Abrißgenehmigung verantwortlich zeichnet, hatte seinen Kollegen Scherf nicht einmal informiert. Kunick-Sprecher Paape gestern: „Das Bauordnungsamt hat offensichtlich keinen Bedarf

gesehen, den Kultursenator zu beteiligen. Ich gehe aber davon aus, daß die Sanierung des Gebäudes intern geprüft worden ist und sich

als nicht finanzierbar herausgestellt hat.“

Das leere Grundstück will die Stadt jetzt „in abgeräumtem Zu

stand“ an eine private Wohnungsbaugesellschaft verkaufen. Geschätzter Kaufpreis: eine Million.

K.S.