Will Energiekombinat Sparpolitik im Ansatz verhindern?

In Leipzig ist ein Streit zwischen dem Stadtrat und dem Energieversorgungsunternehmen entbrannt / Der Stein des Anstoßes: Ein umstrittener Monopolanspruch bei der Stromversorgung samt fragwürdigem Kooperationsvertrag mit dem westdeutschen RWE-Konzern / Stadträte suchen Unterstützung bei routinierten Streitern im Westen  ■  Aus Leipzig Hans Rersch

Am Samstag ging der Kampf um die Energieversorgung Leipzigs in seine zweite Runde. Michael Weber und Jörg Hannes, die beiden für Energiefragen und Umweltschutz zuständigen Stadträte, nutzten den in Leipzig tagenden Kongreß Ökologisches Wirtschaften, um sich die Unterstützung der westdeutschen Experten für kommunale Energieversorgung zu sichern.

Begonnen hatten die Auseinandersetzungen durch einen Vorstoß des VEB Energiekombinat Leipzig (EKL). Die Direktoren des EKL wollten die Stadt Leipzig bis zum 31.12. 2040 verpflichten, ausschließlich dem Energiekombinat die Energieversorgung zu überlassen. Konkret heißt es im vorgelegten Konzessionsvertrag: „Die Stadt Leipzig wird keine eigenen Energieerzeugungs- und Fortleitungsanlagen für Elektroenergie, Gas und Wärmeenergie errichten und betreiben.“ Andererseits soll das Mitnutzungsrecht bei Gasleitungen, Stromtrassen und Fernwärmerohrleitungen auch für „Unternehmen, an denen der VEB EKL einen Anteil von mindestens 51 Prozent besitzt“, gelten. Solche Unternehmen, so mutmaßt der Stadtrat, sollen noch zu gründende Joint -ventures mit dem Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk (RWE) sein. Denn nach dem Motto „Energieversorger beider Länder, vereinigt Euch“ haben sich die RWE und das EKL in einer erst kürzlich öffentlich gewordenen „Absichtserklärung“ auf eine umfangreiche Zusammenarbeit verpflichtet, die von der Versorgung Leipzigs durch unausgelastete Kapazitäten der RWE bis zum Bau eines Kraftwerkes reicht.

Mit Abschluß des Konzessionsvertrages, so dämmerte es den Stadträten, hätte sich die Stadt für 50 Jahre des Rechtes beschnitten, die Energieversorgung in ihrem Gebiet zu gestalten. Nicht nur würden somit die Chancen für eine dezentrale, umweltverträglichere Energieversorgung verspielt. Jörg Hannes befürchtete gar, daß die Stadt durch eine am Umsatz orientierte Konzessionsabgabe des EKL für Energiesparmaßnahmen bestraft würde.

Diesen Aneigungsversuch der für die ökologisch katastrophale Braunkohlepolitik Verantwortlichen konterten die Stadträte Weber und Hannes mit der Veröffentlichung der vertraulichen Papiere in der Hoffnung, daß „diesen ehemaligen SED-Kadern die Erinnerungen an die machtvollen Montagsdemonstrationen noch zu frisch sind“. In der Tat, EKL -Generaldirektor Lothar Klebzig ging sofort auf Distanz zur „Absichtserklärung“ mit der RWE und sprach nur noch von einer „punktuellen Zusammenarbeit mit westlichen Partnern“. Klebzig wollte sich sogar in einem Interview mit der 'Hannoverschen Allgemeinen Zeitung‘ dafür einsetzen, daß, wenn das Kombinat in eine Aktiengesellschaft überführt werde, der Leipziger Oberbürgermeister den Vorsitz im Aufsichtsrat übernimmt. Allerdings, so schränkte er ein, könne er möglicherweise nicht das letzte Wort in dieser Frage sprechen: Die der Regierung unterstellte Treuhandanstalt (zuständig für die Umwandlung der Kombinate in Kapitalgesellschaften) ist dafür zuständig, wer als neuer Aktionär im Energieversorgungsunternehmen fungieren wird.

Die Stadträte wollten indes nicht auf die gnädige Fürsprache des Direktors warten und erklärten letzte Woche, unter Bezug auf einen Beschluß der Deutschen Wirtschaftskommission vom 24.11. 1948 das Energiekombinat zum kommunalen Eigentum der Stadt. Die Frage, inwieweit diese Erklärung rechtsverbindlichen Charakter trägt und andere Anwartschaften aus dem Rennen schlägt, ist dieser Tage wie in vielen anderen Fällen nur schwer zu beantworten. Der tatsächlichen Überführung in kommunales Eigentum steht die unklare Rechtslage, die Verfügungsgewalt der Berliner Treuhänder und das Fehlen einer kommunalen Verwaltung im Wege. Gegen die unheilige Allianz ehemaliger SED-Direktoren und westdeutscher Atomlobby treten die Stadträte jedenfalls ohne juristisch geschultes Verwaltungspersonal an ihrer Seite ganz alleine an.

Deshalb wollten die Räte zur Rüstung für die nächsten Runden die Erfahrungen bewährter Kämpfer in den Auseinandersetzungen mit den bundesdeutschen Stromriesen anzapfen. Die waren am Samstag zahlreich angereist zum ersten deutsch-deutschen Umweltkongreß Ökosoziale Marktwirtschaft - was ist das?. Die Routiniers mußten sich natürlich erst mal selbst über die derzeitigen Verhältnisse in Leipzig orientieren. So konnten sie nur eindringlich davor warnen, sich unter Zeitdruck wichtige Strukturentscheidungen aufzwingen zu lassen. Erich Deppe, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Hannover - Patenstadt Leipzigs -, drückte es betriebswirtschaftlich aus: „Die Zeit und die Kosten, die jetzt für die Ausarbeitung eines vernünftigen Energiestrukturkonzeptes aufgewandt werden, zahlen sich in der Zukunft um ein Vielfaches aus.“

Lebhaft wurde das Gespräch auf der Tagung allerdings erst durch die Teilnahme von Gerhard Schneider, einem Vertreter des Energiekombinats. Der personifizierte Apparatschik machte nur zu deutlich, daß es noch einen langen zähen Kampf um eine ökologische und sozialverträgliche Energiepolitik geben wird. Er verteidigte die Kontakte zu den westdeutschen Energieunternehmen mit der Notwendigkeit für neue Kraftwerke. Angesprochen, warum statt neuer Kraftwerke nicht Energiesparkonzepte entwickelt werden, wo doch durch den Einbau von Ventilen an den Heizkörpern bereits erhebliche Spareffekte erzielt werden könnten, machte er den Mangel an Devisen für solche Ventile geltend. Warum aber das EKL die von den Stadtwerken Hannover bereits vor längerem angebotenen Finanzspritzen für Energieeinsparanalysen noch nicht in Anspruch genommen hat, blieb ungeklärt. Auch beteuerte Schneider, daß das noch in der Honecker-Ära geplante Atomkraftwerk nicht mehr gebaut werden soll, doch gemäß der vertraulichen Auskunft einer leitenden Person der westdeutschen Energiewirtschaft, führt das EKL bereits Gespräche mit der Kraftwerksunion (KWU), dem bundesdeutschen Kernkraftbauer.

Somit sind weitere Runden im Kampf um die Gestaltung der Leipziger Energieversorgung gewiß. Die Leipziger Stadträte hoffen sehr, daß sie dabei nicht nur von westdeutschen Fachleuten unterstützt werden, sondern auch von den anderen Kommunen in der DDR, wo bis auf wenige Ausnahmen die Aktivitäten der Energiekombinate noch keiner öffentlichen Debatte ausgesetzt sind.