ÖTV-Chefin mahnt Beteiligung an

■ Wulf-Mathies will bei den Konzepten für den Vereinigungsprozeß mit der DDR Gewerkschaftsbeteiligung / Kosten für Schulungsprogramm in der DDR seien für den DGB gewaltig

Berlin (taz) - Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) will „bei der Erarbeitung von Konzepten für den Vereinheitlichungsprozeß“ in der DDR beteiligt werden. Die ÖTV-Vorsitzende Monika Wulf-Mathies mahnte gestern in Stuttgart die von Bundeskanzler Kohl den Gewerkschaften zugesagte Beteiligung an. „Soweit bekannt“, sagte die ÖTV-Chefin, „wird im Bundesinnenministerium an Vorstellungen zur Anpassung von Verwaltungsstrukturen und zur Übernahme des Beamtenrechts gearbeitet. Überlegungen zum Tarifbereich sind uns dagegen bisher nicht bekannt.“ So habe sie Innenminister Schäuble aufgefordert, die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes an der Erarbeitung von Vorschlägen zur Verwaltungsreform in der DDR zu beteiligen. Frau Wulf -Mathies warnte eindringlich vor einer sofortigen Übernahme des bundesdeutschen Beamtenrechts in der DDR, weil dies zu einer „Zementierung bisheriger staatlicher und personeller Strukturen führen“ würde.

Die Verabschiedung eines Tarifvertragsgesetzes in der DDR und „deutliche Signale“ für die Einführung des Tarifrechts im öffentlichen Dienst seien vordringliche Aufgaben der westdeutschen Politiker. Die Einführung der D-Mark in der DDR - „egal zu welchem Wechselkurs“ - dürfe nicht ohne soziale Absicherung erfolgen; dies bedürfe einer verbindlichen Erklärung des Bundeskanzlers. „Die Tarifautonomie im öffentlichen Dienst hat sich bewährt, sie ist für uns eine Grundbedingung für den Vereinigungsprozeß“, sagte Frau Wulf-Mathies.

Zu Fragen nach Gründung einer ÖTV in der DDR stellte die ÖTV-Chefin klar, daß sie die Arbeit dort „nicht mit Organisationsopportunismus beginnen“ werde. Es gebe zwar verschiedentliche Initiativen auf betrieblicher und regionaler Ebene, doch würden diese Initiativen bisher nicht im gewerkschaftlichen Sinne tätig, nähmen also keine Mitglieder auf.

Sehr weitreichenden Aufklärungsbedarf in der DDR sieht die ÖTV-Vorsitzende: Der Staat sei schwer diskreditiert, „aus Staatsorganen müssen Dienstleistungen für den Bürger werden“.

Die Kosten für eine entsprechende Basisarbeit mit Schulungsprogrammen und Bildungsmaßnahmen, die auf die DGB -Gewerkschaften zukommen, sind erheblich. Die ÖTV hat Mitte Februar 15 Sekretäre in DDR-Städte geschickt, schon jetzt ist absehbar, daß die Zahl der Mitarbeiter schnellstmöglich mindestens verdoppelt werden muß.

Die neue politische Lage und der bevorstehende Vereinigungsprozeß stellen insbesondere die DGB -Gewerkschaften - und deren Mitglieder - vor neue Aufgaben.

jon