KPdSU vor der Spaltung

■ Aus verschiedenen Gründen fordern das ZK und die „Demokratische Plattform“ die Teilung der Partei / Plattform-Sprecher kündigt eigenen Parteitag für Mai an

Berlin (adn/dpa/taz) - Die KPdSU wird nicht mehr lange in ihrer gegenwärtigen Form weiterexistieren. Dies geht aus den jüngsten Erklärungen verschiedener Gruppen innerhalb der Partei hervor, die allesamt von einer baldigen Spaltung ausgehen.

Bisheriger Höhepunkt ist ein „Offener Brief“ des Zentralkomitees „Für eine Konsolidierung auf prinzipieller Grundlage“. Es gebe, so das am Dienstagabend veröffentlichte programmatische Schreiben, „Versuche bestimmter Personen, die Partei vom eingeschlagenen strategischen Kurs abzubringen und, falls das nicht gelingt, ihre Spaltung zu provozieren“. Hervorgehoben wird die „Demokratische Plattform“, welche zwar die richtigen Fragen stelle, aber zu der dann notwendigen Strategie und Taktik der Partei keine Antworten habe. Leute, die eigene Plattformen innerhalb der Partei bildeten, die „sozialistische Orientierung des sowjetischen Volkes“ negierten und sich praktisch selbst außerhalb der Partei gestellt hätten, müßten raus.

Damit bläst das ZK ins gleiche Horn wie schon Igor Ligatschow, der am Wochenende eine „Säuberung der Partei von Revisionisten, Nationalisten und Sozialdemokratisten“ verlangt hatte. Dies müsse unverzüglich erfolgen. Auch die KP Belorußlands bezeichnete die Tätigkeit der „Demokratischen Plattform“ als „Separatismus“. Ihre Aktivisten gehörten aus der Partei ausgeschlossen.

Die „Demokratische Plattform“ scheint davon nicht sonderlich berührt zu sein. Koordinierungsrat-Mitglied Ilja Tschubais erklärte, eine Teilung der KPdSU sei ohnehin unvermeidlich. „Wir erklären unsere Absicht, auf der Basis der Demokratischen Plattform und der Interregionalen Deputiertengruppe eine neue Partei zu schaffen“, sagte er der 'Moskowskije Nowosti‘. Bereits in der zweiten Maihälfte könnte der erste Parteitag einer neuen Partei stattfinden.

Ferner hat sich eine Vereinigung „Demokratisches Rußland“ im Parlament der RSFSR gebildet. Laut TASS hat sie zum Ziel, für Umgestaltungen zum Wohle der Menschen zu wirken.

Die jüngste Revisionismus-Diskussion wirkt angesichts des von Gorbatschow angekündigten Übergangs zum Kapitalismus in den nächsten 18 Monaten eher irreal. Während Ligatschow und das ZK der Partei die obigen Erklärungen abgaben, unterzeichnete der sowjetische Vertreter bei der Bonner KSZE -Wirtschaftskonferenz das marktwirtschaftsgläubige Schlußdokument.

D.J