Dora Knübel duldet Tina Turner

■ Beirat: Aber lautes nächtliches Singen zugereister Personen bleibt verboten

Am Dienstag abend einigten sich eine gewisse, in Bremen bislang noch ungesehene Tina Turner und die bekannte FDP -Stadtteilbeirätin Dora Knübel nach zähen Verhandlungen: Frau Turner darf am 6.9.1990 in den frühen Abendstunden ausnahmsweise in Bremen vorsingen. Im Gegenzug hat Frau Turner sich zu verpflichten, die „musikalischen Darbietungen“ um Punkt 23 Uhr einzustellen. Danach wird jede weitere Minute unnachsichtig als ruhestörender Lärm gewertet und ist daher kostenpflichtig. Lautes

Singen zugereister Personen, wurde Frau Turner mit den lokalen Gepflogenheiten vertraut gemacht, kann in Bremen nach 23 Uhr mit Geldbußen respektive Konventionalstrafen bis zu rund 200.000 Mark geahndet werden. Der gegebenenfalls fällige Betrag ist - so beschlossen die Lokalpolitiker - dem Ortsamt für Verschönerungsmaßnahmen im Stadtteil zu überweisen.

Darüber hinaus haben Frau Turner und ihre Begleiter dafür Sorge zu tragen, daß nicht auszuschließende Zusammenballungen von ZuhörerInnen möglichst schonend auf dem Bremer Rasen stehen. Unter dieser Bedingung soll der Sängerin gegen eine Gebühr von rund 200.000 Mark eine ansonsten sportlich genutzte kommunale Grünanlage zur Verfügung gestellt werden. Zu ihrem Schutz ist das Gelände vorsorglich mit Holzplanken abzudecken. Eine Vorsichtsmaßnahme, die insbesondere nach negativen

Erfahrungen mit einem Landsmann von Frau Turner, einem Herrn Springsteen, geboten erscheint. Dessen Zuhörerschaft hatte bei einem inzwischen zwei Jahre zurückliegenden Bremen -Besuch die gewährte Gastfreundschaft insbesondere durch unkontrolliertes Wasserabschlagen in Bremer Vorgärten strapaziert. Frau Turner und ihr ortsansässiger Agent sind deshalb gehalten, sich für eine ausreichende Anzahl mobiler Urinale im Umkreis des Gesangsgeschehens zu verbürgen.

Vorsorglich regten die Bremer Spitzen-Stadtteilpolitiker darüberhinaus eine Sperrung sämtlicher Wohnstraßen durch bewaffnete Polizeibeamte und eine „großräumige Umleitung des veranstaltungsbezogenen Verkehrs“ an. Wer dennoch in das abgesperrte und durch Zäune gesicherte Gelände gelangt, hat ab 23 Uhr das Biertrinken einzustellen, bis spätestens 24 Uhr die Sportarena zu verlassen und unverzüg

lich den geordneten Heimweg anzutreten. Dazu sind Park & Ride-Busse zur Verfügung zu stellen und durch Beschilderung auf Kosten der Konzertveranstalter als solche kenntlich zu machen.

Frau Turner, bei der Verkündung der Konditionen ihres Bremen-Besuch leider persönlich verhindert, ließ den gesetzten Bedingungen durch einen autorisierten Vertreter im Prinzip zustimmen und gab der Hoffnung auf Nachsicht bei geringfügigen Überschreitungen des gesetzten Lied-Limits Ausdruck. Der Beirat demonstrierte Großzügigkeit: Eine vor 23 Uhr begonnene Arie darf kostenfrei kurz nach 23 Uhr beendet werden. Ein schöner Verhandlungserfolg der Sängerin, wenn man bedenkt, daß der Beirat sich vor der Sitzung noch hartnäckig und aus prinzipiellen Gründen geweigert hatte, ihr überhaupt Gelegenheit zu einer Kostprobe ihres Könnens einzuräumen.

K.S.