Die Burenfroo: Melken, Kochen, Kinderkriegen

■ Eine Momentaufnahme der Oldenburger Frauenwoche: Diskussionskreis von Landfrauen / Über den Tugendkatalog der Bäuerin

Sie ist morgens die Erste und abends die Letzte. Sie versorgt den Mann, die Tiere, den Hof. Getreu nach dem Motto: „Nähret und mehret Euch!“ erfüllt sie die Uraufgabe der Menschheit in vollkommenster Weise. - Die Rede ist von der Landfrau und Bäuerin und von den Tugenden, die ihr seit Jahrhunderten zugeschrieben werden. Wie es sich lebt mit diesen verinnerlichten Tugendanforderungen, ob dieses Idealbild für die heutige Bäuerin noch gültig ist und was junge Frauen davon halten, war gestern vormittag Thema einer Arbeitsgruppe der Oldenburger Frauenwoche.

„Ich habe 1980 einen Bauern geheiratet und bin Ende 1990 hoffentlich endlich von ihm weg“, die junge Frau in Cordhosen und Pullover mischt sich mutig in die Diskussion. „Mein Mann ist jetzt gerade erst 30, und ich habe immer gehofft, daß es mit ihm anders wird.“ Den Haushalt habe er in all den Jahren jedoch nie gesehen: „Die Landwirtschaft ist viel wichtiger - daher kommt das Geld“, habe er immer gesagt. „Ich habe die ganzen Jahre dagegen angekämpft. Drei Kinder sind bei diesem Kampf entstanden. Und jetzt kann ich nicht mehr.“

Die junge Frau, weder braun gebrannt noch von der vielen Arbeit unter freiem Himmel vor Gesundheit strotzend, erzählt schüchtern und blaß, daß sie immer versucht habe, es ihrem Mann, der Familie, den Nachbarn, Recht zu machen. Die Voraussetzungen waren denkbar günstig: Als gelernte Hauswirtschaftsmeisterin ging das Ehe

paar mit gleicher Ausbildung an die Arbeit auf dem Hof. Und trotzdem wurde ihre Arbeit nie anerkannt.

Silke Tuitjer, Lebensgefährtin eines Landwirtes und deshalb ebenfalls in die Tagesabläufe einer Bauerei eingebunden, ist „nebenbei“ noch als Diplompädagogin tätig. Dank Studium, gehöriger Portion Selbstbewußtsein und einem Gefühl der Unabhängigkeit hat sie den festgefahrenen Alltag des Hofes umkrempeln können: „Jetzt werden die Kühe halt zwischen 4 und 6 Uhr gemolken und nicht mehr punkt halb 5, nur weil es immer schon so war. Das Essen steht nicht um eins auf dem Tisch, sondern wenn ich aus

dem Büro komme.“ Gemolken werde jetzt zu zweit, damit der Feierabend für beide um sieben Uhr beginnt.

Wie wenig selbstverständlich das für den Frauenalltag auf dem Bauernhof auch heute noch ist, bestätigten die jungen Landfrauen des Diskussionskreises „Wat'n fixen Burenfroo“, die zum Teil vom frauenpolitischen Arbeitskreis der Landjugend aus Ostfriesland nach Oldenburg kamen: Der Tugendkatalog, den Rosemarie von Schweitzer, Professorin für Hauswissenschaft in Gießen, 1968 in ihrer Situationsanalyse der Frauen auf dem Lande erarbeitet hatte, gilt für die heutige Bäuerin unverändert:

Ihr wird in besonderem Maße Naturverbundenheit, Fürsorge für alles Lebendige und Mütterlichkeit zugesprochen. Der Haushalt in Form der bäuerlichen Hauswirtschaft hat sich dem Betriebsgeschehen ein- und anzupassen. Diese Leistung hat die Landfrau zu vollbringen. Das Betriebsgeschehen hat absoluten Vorrang. Die Mitarbeit des Mannes im landwirtschaftlivhen Haushalt hat Seltenheitswert, selbst da, wo die Frau unermüdlich im Betrieb mitarbeitet.

Treue zu Grund und Boden, zu Hof und Besitz werden erwartet und von der Landfrau bejaht. Hof und Heimatscholle sind Schicksalsraum. Nirgends findet man

eine so festgefügte Arbeitsge meinschaft wie in der bäuerlichen Familie, stellte die Professorin in ihrem Buch „Die Frau und ihre Aufgaben in einer modernen Landwirtschaft“ damals fest. Und eine Diskutantin, Mitarbeiterin in einem Frauenhaus, berichtet: „Landfrauen sind bisher von uns aus immer zur Bauerei zurückgekehrt. Nicht zu ihrem Mann, aber zum Hof, den Kühen

und ihrem Garten. Weil man die doch nicht alleinlassen kann.“

Resümee nach rund zwei Stunden Diskussion des jahrhundertealten Tugendkatalogs und Erfahrungsaustausch von Bäuerinnen um die 30: Es hat sich nichts verändert. „Wenn Du einen Landwirt heiratest, kannst Du Deinen Beruf an den Nagel hängen. Spätestens, wenn das zweite Kind kommt.“

ra