„Rettung der Grünen durch Spaltung der Grünen“

■ Hamburg: Von der GAL abgespaltenes Frauensextet versteht sich für die Bürgerschaftswahlen als Klammer zwischen Realos und Linken

Zur Hamburger Bürgerschafts wahl des nächsten Jahres soll ein Bündnis aus GAL und Realo -Abspaltung „Grünes Forum“ (Grüfos) kandidieren. Das jedenfalls wünschen sich die sechs Mitglieder der neuen Frauenfraktion im Hamburger Stadtparlament, die sich gestern der Öffentlichkeit vorstellten. Sie wird das Erbe der geplatzten GAL-Fraktion antreten. Die parteilose Abgeordnete der Frauenfraktion, Heide Neitsch, erklärte, sie und ihre fünf Kolleginnen verstünden sich als „Klammer zwischen der Realpolitik der Grüfos und dem, was aus der GAL noch kommt.“ Vorerst kam aus der GAL nur eine vorauseilende Absage. Am Dienstagabend stellte der Landesvorstand der gebeutelten Partei fest, es gäbe keine Perspektive mehr für Gespräche mit Grüfo-FunktionärInnen. Bündnisdebatten seien nicht erwünscht. Der Landesvorstand habe derzeit nur ein Ziel: eine einige GAL.

Bei urlaubsbedingter Abwesenheit ihrer Fraktionsvorsitzenden Margret Hauch (noch eingeschriebens GAL-Mitglied, von der Partei aber schon mehrfach zur Mandatsrückgabe aufgefordert), erklärten die fünf Politikerinnen (vier aus der GAL augetretene und eine weitere Noch-GALierin) in einem Atemzug durchaus Widersprüchliches. So hieß es: „Die Aufkündigung der GAL -Fraktion und die Konstituierung der Frauenfraktion beinhaltet keine Distanzierung von der bisherigen Arbeit, den Aufgaben und Zielen der (ehemaligen; die Redaktion) Frauenfraktion - im Gegenteil zu dieser Arbeit stehen wir. (..) Unsere gemeinsame, bisherige Arbeit werden wir parteiunabhängig fortsetzen.“

Wenig später erläuterten die Politikerinnen, daß grüne Politik in Hamburg nur außerhalb der Grünen zu retten sei. Sie formulierten: „Die einzige Möglichkeit, die grün -alternative Parla

mentsarbeit vor dem Sog des Zerfalls zu bewahren, ist die Bildung der jetzigen Frauenfraktion mit dem erklärten Ziel, grün-alternative Kommunal- und Landspolitik in der Bürgerschaft weiter zu vertreten.“ Die zukünftige politische Arbeit der sechs Frauen mache nur Sinn, „wenn es uns gelingt, Menschen in Hamburg für das grün-feministische Projekt wieder zu gewinnen.“ Denn die Grünen seien - trotz schwerer Krise - noch längst nicht am Ende. Unter dem grün -feministischen Projekt für Hamburg stellen sie sich für die Zukunft ein Wahlbündnis GAL/Grüfos vor.

Inhaltlich hatten die Mitglieder der neuesten parlamentarischen Errungenschaft an der Elbe noch nichts zu bieten. Für die Erarbeitung programmatischer und praktischer Politik-Perspektiven sei bisher noch keine Zeit gewesen, hieß es. Man habe alle Kraft auf die Etablierung der neuen Fraktion verwendet. Daß diese Arbeit

nicht ünberall als sinnvoll angesehen wird, ist den Frauen wohl klar. In ihrer gemeinsamen Erklärung schrieben sie dazu: „Wir wissen, daß unser Schritt, mit unseren Mandaten weiterhin grüne Politik in der neuen Frauenfraktion zu machen, auf Unverständnis auch unter grünen WählerInnen gestoßen ist. Wir haben uns diesen Schritt nicht leicht gemacht - doch wir glauben, daß wir einige Argumente haben, die diesen Schritt notwendig machten.“

Diese Argumente entstammen ausnahmslos der Kritik an Innenleben und politischer Ausrichtung der GAL. Nach dem Ausstieg des Ökosozialisten-Duetts Trampert/Ebermann einerseits und Thea Bocks Eintritt in die SPD und der Gründung der Grüfos andererseits sei die Politik der

noch existierenden GAL vom „Linken Forum“, TraditionssozialistInnen und linken GewerkschafterInnen geprägt. Die alte GAL gäbe es nicht mehr. Deshalb könne heute niemand von sich behaupten, die 1987 gewählte GAL zu repräsentieren.

Insbesondere eine Erfahrung sei immer unerträglicher geworden: „Der die GAL prägende Widerspruch zwischen harter Reformpolitik im Parlament einerseits und standhafter Systemopposition auf den Mitgliederversammlungen andererseits.“ Doch ganz ohne Systemopposittion soll es auch bei der Frauenfraktion nicht gehen. Ein unsichtbares Märxchen schwebte über Heide Neitsch als sie sagte: „Eine Politik, die angesichts der ökologischen Krise das Ziel ökologischer Selbstbegrenzung der Industrie

gesellschaft hat, kommt nicht umhin, kapitalismuskritisch zu sein.“ Solche Gesellschaftskritik müsse aber differenziert betrieben werden, die Wirklichkeit sei schließlich auch nicht völlig klar und übersichtlich, fügte Noch-GALierin Helga Wullweber hinzu.

Schließlich kritisierten die Frauen eine „beklagenswerte Tradition der GAL“, die „hemmungslosen innerparteilichen Feinderklärungen gegen Menschen, die nicht mit der in Hamburg üblichen Parteiraison übereinstimmten.“ Mit dieser Feindschaft gegenüber den Menschen in der eigenen Partei, aber auch in der Gesellschaft, müsse gebrochen werde. Zur Zeit jedoch, so scheint es, schürt das Sextett eher politische Feindschaften in Hamburgs Szene.

Jürgen Oetting