Klage gegen Dioxin-Schleuder

■ Anwohner der stillgelegten Kabel-Schmelze in Heiligensee wollen Betreiber auf Bodenaustausch verklagen

Nach Lage der Dinge werden sich die Anwohner der stillgelegten Kabelverschwelungsanlage an der Henningsdorfer Straße in Heiligensee und deren Betreiber, die Firma Schulz Metalle, demnächst vor dem Kadi wiedersehen. Insgesamt 26 Betroffene, deren Kleingartengrundstücke vermutlich jahrzehntelang mit dem Sevesogift Dioxin verseucht wurden, wollen jetzt die Firma auf Bodenaustausch verklagen. Die Sprecherin der Bürgerinitiative, Petra Milde: „Der Senat will da nicht so recht ran. Unser Fernziel ist aber auch die Durchsetzung möglicher Schadensersatzansprüche wegen Körperverletzung.“

Daß der Senat sich verweigert, bestritt gestern nachmittag auf Nachfrage der zuständige Referent in der Umweltverwaltung, Schwilling. Auf jeden Fall prüfe die Verwaltung, ob sie gegen die Betreiberfirma eine sofort vollziehbare Sanierungsanordnung erlassen könne. Einen solchen Schritt hatte der in der Behörde für die Altlastensanierung verantwortliche Referatsleiter, Strobel, demgegenüber noch am Vormittag in einem Informationsgespräch mit den Anwohnern ausgeschlossen. Bei der bisher registrierten Belastung von bis zu 955 Nanogramm an Dioxinen pro Kilogramm Erdreich bestehe „keine unmittelbare Gesundheitsgefahr“. Auch stehe bislang nicht fest, ab welcher Giftkonzentration die Böden ausgetauscht werden müßten. Wie es hieß, stellt die Festlegung eines Richtwertes das entscheidende rechtliche Problem dar. Unterschreite die Verwaltung einen vom Bundesgesundheitsamt empfohlenen Vorsorgewert von 1.000 Nanogramm, könne die Firma Schulz dies als unverhältnismäßig anfechten.

Klarheit soll ein neues Gutachten bringen, daß die Beamten Senatorin Schreyers in der nächsten Woche vorlegen möchten. Laut den gestrigen Erläuterungen wurde unterdessen auf den der Kabelverschwelungsanlage benachbarten Kleingartenparzellen mit flächendeckenden Bodenerkundungen begonnen. Außer dem Dioxin- wird jetzt auch der Schwermetallgehalt der Erde analysiert. Ende Mai sollen Ergebnisse vorliegen. Dabei ist die Halle, aus der die Kabelschmelzöfen das Dioxin verschleuderten, meßtechnisch noch gar nicht erkundet. Inklusive eines Kamins sollen die Gebäude abgetragen werden.

Offenbar von dem Dioxin-Problem überfordert sind die Reinickendorfer Amtsärzte. Etwa 20 bis 25 Personen, bei denen das Blutbild nicht in Ordnung war, seien so zur weiteren Behandlung statt an einen Facharzt an ihren Hausarzt überwiesen worden, kritisierten die Anwohner.

thok