Zwischen Verklärung und Aufklärung

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(Florian - Ich gehör‘ dazu, Freitag, ARD, 13.10 Uhr) Ein ermutigender Augenblick. In der Pause spielen die Kinder Hochzeit und malen ein Herz an die Tafel. Florian klatscht die Hände über dem Kopf zusammen und ruft: „Ich liebe Jennifer.“ Niemand macht sich darüber lustig, alle Kinder stimmen begeistert mit ein, denn für sie gehört Florian, ein Junge mit dem Dow-Syndrom, dazu. Die Szene ist nur kurz, vielleicht nicht ganz alltäglich, aber sie zeigt, daß auch geistig behinderte Kinder in einer Regelschule Anerkennung und Bestätigung finden können.

Ohne die Leistung schmälern zu wollen, die das WDR-Team mit dieser Langzeitbeobachtung zum Abbau von Vorurteilen gegenüber geistig behinderten Kindern erbracht hat, bleiben einige Fragen zurück. Florian ist ein lernfähiger Junge, der durch seine Offenheit und Freundlichkeit sympathisch wirkt und damit den Eindruck erweckt, mit allen mongoloiden Kindern könne eine solche Integration gelingen. Was aber passiert, wenn die Freunde älter werden und mit dem schulischen Leistungsdruck der Unterschied zwischen Florian und den anderen Klassenkameraden größer wird? Die Autorinnen wollen auch diese Phase weiter begleiten und dokumentieren, ob sich die positiven Erfahrungen fortsetzen werden. Trotzdem bleibt offen, was filmische Protokolle über die Integration Behinderter aussagen können. Es sind immer Vorzeigekinder zu sehen, die fernsehtauglich auftreten, nicht häßlich aussehen oder schwierig anzusprechen sind. Der Zwickmühle zwischen allzu euphorischer Verklärung und der Pflicht zur Aufklärung sind die Autorinnen von Florian Ich gehör‘ dazu nicht ganz entkommen. Den schwierigen Teil der Integration Florians muß sich der Zuschauer selbst ausmalen.

Christof Boy