„Wir werden kämpfen“

Egidius Bickauskas ist neuer Repräsentant Litauens in der Moskauer Vertretung beim Ministerrat der UdSSR  ■ I N T E R V I E W

taz: Noch hat sich auf der höchsten politischen Ebene zwischen den Gremien der UdSSR und Litauens nichts bewegt. Statt dessen hat ein Nervenkrieg begonnen. Haben sich wenigstens untergeordnete Organe zusammengerauft?

Bickauskas: Kontakte hat es gegeben. Zwischen dem Obersten Sowjet der UdSSR und der litauischen Volksvertretung und den Regierungen gab es Kontakte.

Nach der Verlautbarung des Präsidialrates vom Montag kann von einer anstehenden kompromißbereiten Haltung in Moskau aber kaum die Rede sein. Ich vermute stark, daß in allernächster Zukunft Gorbatschow mit einer Präsidialverfügung aufwarten wird, denn diese Möglichkeit ist gerade in Kraft getreten. Das hieße dann, die Regierungsverantwortung Litauens würde weitestgehend beschnitten. Der Präsidialrat hat ja schon ökonomische Sanktionen angedroht. Über die ministerielle Ebene und die Großbetriebe, die Moskauer Weisung unterstehen, wird das auch durchgezogen.

Wie reagieren die Litauer auf die zunehmende Zurückhaltung des Westens?

Zu keinem Zeitpunkt haben die Litauer darüber Illusionen gehegt, daß der Weg in die Unabhängigkeit schnell und einfach sein wird. Die Freude über die moralische Unterstützung aus dem Westen war zunächst groß. Die westlichen Staaten dürften sich allerdings nicht mehr demokratisch nennen, wenn sie Litauen jetzt seinem Schicksal überließen. Sollte das geschehen, werden wir alleine kämpfen. Der Westen hätte seine Glaubwürdigkeit dann verspielt.

Warum wird die Frage des Austritts aus der Sowjetunion nicht zum Gegenstand eines Referendums gemacht? Momentan sieht es so aus, als würden sich die neue Regierung und auch Sajudis dagegen sträuben? Gibt es dafür Gründe?

Die Frage des Referendums ist bereits eindeutig beantwortet worden, zum einen durch die 300.000 Wähler, zum andern durch die neue Regierung. Aber lassen Sie mich eines klarmachen: Natürlich können wir allgemein über ein Referendum sprechen. Der Punkt ist doch aber, worüber soll eine Volksabstimmung stattfinden? Über einen Austritt aus der UdSSR etwa? Das ist unmöglich, denn wir sind ja nicht freiwillig eingetreten. Außerdem haben die Wähler ihr eindeutiges Votum abgegeben. Den Wunsch, ein Referendum über einen Eintritt in die Sowjetunion abzuhalten, können wir, glaube ich, getrost ausschließen. Nach neuesten Umfragen wären 90 Prozent gegen einen Eintritt und nur zehn dafür.

Wie begreifen Sie ihre momentane Stellung eigentlich? Sind Sie Botschafter eines selbständigen Litauens oder noch Vertreter der sozialistischen Sowjetrepublik Litauen?

Ich bin weder Botschafter Litauens noch Vertreter der SSR Litauen. Botschafter ist überhaupt der falsche Ausdruck. Dazu müßte ich diplomatisch anerkannt sein. Es ist aber völlig klar, daß ich Repräsentant der Republik Litauen bin, weil die SSR einfach nicht mehr existiert.

Interview: Klaus Helge Donath