„DER OST-FUCHS IST NICHT GEIMPFT“

■ Probleme im neuen deutsch-deutschen Wildwechsel - Ein Gespräch mit Forstamtsleiter Korn

Erstmals seit mehreren Jahren sind in West-Berlin wieder mehrere Tollwutfälle bei Füchsen aufgetreten. Der Schuldige für die neuen Viruswelle ist schon dingfest gemacht. Der Ost -Fuchs soll es sein. Er habe die Krankheit nach der Öffnung der Mauer eingeschleppt, heißt es. Die taz sprach darüber mit dem Leiter des Forstamtes Tegel, Wolfgang Korn.

taz: Ist die Invasion der Ost-Füchse tatsächlich zu einem Problem geworden?

Wolfgang Korn: Es wurde jetzt von verschiedener Seite gesagt, daß seit dem Abzug der Wachhunde die Ost-Füchse ungehindert rüberkommen. Aber ich möchte das bezweifeln. Schon vor der Öffnung der Mauer konnten die Wachhunde sicherlich nicht jeden einzelnen Fuchs aufspüren. Schon damals sind vermutlich noch genug Füchse hin- und hergegangen. Durch die Zäune sind sie natürlich schlecht durchgekommen, aber die haben sich dann Löcher gebuddelt und sind untendurch. Wir hatten im Spandauer Forstbereich einen Dachs, der seinen Bau im Niemandsland zwischen den Grenzen hatte. Der hatte sein festes Loch im Zaun, wo er regelmäßig durchging und zu uns in den Wald kam. Das kannten wir schon.

Das heißt, es gab schon immer einen regen deutsch-deutschen Wildwechsel?

Zumindest was die Füchse und Dachse anging. Das weiß ich, soweit es Spandau betrifft, aus eigener Erfahrung. Natürlich ist es für die Füchse jetzt viel leichter geworden, aber es ist kein neues Phänomen.

Aber es scheint doch ein Problem zu geben. Zumindest der Verdacht steht im Raum, daß die Füchse aus dem Osten die Tollwut in den Westen bringen.

Zunächst muß man mal sehen, daß der Fuchs heute längst nicht mehr auf den Wald beschränkt ist. Er ist ein Kulturfolger geworden und hat das Stadtgebiet erobert. Es ist keine Seltenheit, wenn Sie heute an der Philharmonie einen Fuchs sehen. Überall wo Karnickel sind, gibt es auch Füchse. Die hängen direkt voneinander ab. Jetzt rufen natürlich viele Leute an, die einen Fuchs in der Stadt gesehen haben, wo er nach landläufigem Bild eigentlich nicht hingehört. Die Leute denken dann sehr schnell, der ist tollwütig, was meist aber überhaupt nicht der Fall ist. Der Fuchs hat lediglich seine Scheu vor dem Menschen verloren, weil er mit dem Menschen aufgewachsen ist. Er hat ganz andere Fluchtdistanzen als ein Fuchs im Wald. Den letzten Fuchs, der tatsächlich tollwütig war, haben wir 1981 gefunden.

Sie haben in den letzten Jahren die Füchse geimpft?

Seit zwei Jahren haben wir die Schluckimpfung gemacht, die in Tübingen entwickelt wurde. Das ist ein Kunstpräparat, das für den Fuchs sehr gut riecht. Wenn er dann reinbeißt, spritzt ihm das Mittel in den Hals und er ist gegen Tollwut geimpft.

Aber der Ost-Fuchs ist offenbar nicht geimpft?

Das ist er nicht. Wir hatten versucht, Kontakte zum Osten herzustellen, aber das ist damals gescheitert. Die DDR hat aber auch eigene Versuche laufen, allerdings ist bisher in Ost-Berlin wohl keine Tollwutimpfung durchgeführt worden.

Sie könnten doch ihre Impftechnik der DDR anbieten?

Das wäre sicherlich sinnvoll, zumal diese Impfungen sehr guten Erfolg hatten. Weshalb wir nun trotz dieser Impfungen dieses Jahr unsere Tollwutwelle mit mehreren Fällen haben, da kann man nur mutmaßen. Ein Problem ist sicherlich, daß die Impfung niemals alle Füchse erfaßt. Auch ein Wildschwein oder ein Hund beißt gelegentlich mal in den Köder und dann ist der Impfschutz weg.

Dann ist es also Quatsch, von vornherein den Ost-Fuchs zum Prügelknaben zu machen und ihn allein als Tollwutimporteur anzusehen?

Die Chance, daß es von drüben kommt, ist natürlich groß, zumal wir in den letzten Jahren keine Wild-Tollwut mehr hatten. Von daher kann man natürlich vermuten, daß die Seuche von außen nach West-Berlin reingetragen wurde. Aber es ist nichts bewiesen. Es zeigt sich jetzt aber auch, daß der Fuchs wieder stärker bejagt werden muß, zumal er hier keine natürlichen Feinde hat. Gerade durch die Impfungen, die den Fuchs ja schützen, hat seine natürliche Mortalität stark abgenommen.

Interview: Manfred Kriener