Es ist nicht viel los in Potsdam

■ Besucher von Potsdam konnten sich gestern ohne Gedränge bewegen / Vornehmlich Westdeutsche sind in der alten Residenzstadt unterwegs / Die Potsdamer sind verreist oder in ihren Wohnungen abgetaucht / Blockade-Plakate allüberall

Es gibt ja immer noch Leute, die noch nicht in der alten und eventuell auch wieder neuen Regierungsvorstadt Berlins waren. Die freien Tage über Ostern bieten sich gerade dazu an, nach Potsdam zu fahren und somit das Ritual eines Pflichtbesuches zu erfüllen, wenn es darum geht, was ein Berliner von seiner Umgebung zumindest kennen sollte. Wer bis jetzt gewartet hat, dem wurde es bereits am gestrigen ersten Tag des Osterwochenendes erfreulich einfach gemacht. Mit der S-Bahn nach Wannsee, in den 99er Bus und ab gehts in Richtung Potsdam-Bassinplatz. Kein Aussteigen mehr an der Grenze und nicht mal der Zoll läßt sich noch sehen. Hinter der Grenze rumpelt der Bus über schlechte Straßen und Umleitungen bis in das Stadtzentrum.

Als erstes bietet sich dem suchenden Touristenauge rechterhand ein Stück des verfallenden Holländerviertels und links die Peter-Paulskirche, die das Ende eines Fußgängerboulevars bildet. Was sich schon an der Haltestelle in Wannsee abzeichnete, bestätigt sich hier nun endgültig es ist nicht viel los in Potsdam. Zu sehen sind vornehmlich flanierende „Wessis“, von den Potsdamern fehlt jede Spur. Am Morgen noch hatten sich rund 50 Mitglieder der Umweltschutzgruppe „Argus“ und des „Neuen Forums“ lautstark an der Glienicker Brücke bemerkbar gemacht und für eine Halbe Stunde mit einer Blockade gegen die Blechlawine protestiert, die sich von hier in die Stadt wälzt. Die Plakate zu dieser Aktion sind überall zu sehen doch inzwischen haben die Einheimischen den Besuchern fast ausnahmslos das Feld überlassen.

Man muß schon recht lange umherlaufen, ehe man auf erholungssuchende Potsdamer trifft. An einer Ecke stehen zwei und spielen Gitarre. Obwohl sie über eine kleine Geldspende nicht traurig sind, machen sie es vor allem zu ihrem eigenen Spaß, eben „um lustig zu sein zu Ostern“. Eventuell wollen sie an einem der nächsten Tage noch mit dem Fahrrad auf eine kurze Tour, „aber Eiersuchen ist auch noch angesagt“, berichten die beiden. Ein junger Dachdecker hat da weniger aufregendere Sachen vor, „eben rumloofen und saufen“, Ostereier sucht er nicht mehr und wegfahren geht nicht, „keen Lack“, brummelt er mürrisch. Im Park von Sanssouci sonnen sich die Rentner und schauen den vorbeiziehenden Touristen nach. Um die Stadt zu sehen, ist Ostern sicherlich eine äußerst günstige Gelegenheit, doch ihre Bewohner haben es wie alle Städter gemacht. Sie sind in das Umland und auf Familienbesuch verreist.

markstein