Vom Täter zum Opfer

■ Bernd Rössners Hoffnungen machen den Hardlinern Angst

Die Wandlung des Stockholm-Täters Bernd Rössner zum Justiz und Politik-Opfer Bernd Rössner ist seit Jahren vollzogen. Die Täter sitzen heute im Justizministerium in München, in der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe und - das beweist der neueste Schlag gegen den seit Jahren kranken Gefangenen - in der Leitung des Straubinger Knasts. Und es ist nicht dumpfe Rache, sondern kühles, parteipolitisches Kalkül, das da offenbar bis zur Neige an einem Gefangenen exekutiert werden soll, der seit Jahren nicht mehr die geringste Gefahr - für wen auch immer - darstellt.

Bernd Rössners besondere Tragik liegt darin, daß er nach dem Urteil „lebenslänglich“ nicht in der „Obhut“ der Berliner, der schleswig-holsteinischen oder hamburgischen Justizbehören gelandet ist. Er wäre frei - spätestens seit dem Hungerstreik der RAF-Gefangenen im vergangenen Jahr. Er wäre sogar frei, wenn das Bundesamt für Verfassungsschutz über sein Schicksal zu richten hätte. Allein in Bayern gibt es diese perfide Kalkulation, die glaubt, noch heute aus erbarmungs- und endloser Härte gegenüber den (früheren) Gegnern des Systems, parteipolitisches Kapital schlagen zu können. Eine Partei, die - wie die CSU - in dieser Zeit mit der rhetorisch gemeinten Frage: „Bedroht der Terrorismus uns alle?“ Wahlen gewinnen will, braucht die RAF-Gefangenen als Profilierungsmasse. Sie kann sie nicht freilassen und Entwarnung geben. Ob das die Adressaten, die potentiellen oder tatsächlichen Wähler der „Republikaner“ interessiert, steht auf einem anderen Blatt.

Das parteipolitische Kalkül kollidiert mit den Hoffnungen des Gefangenen Bernd Rössner. Genauer: mit dem Auf und Ab seiner Hoffnungen und seiner Hoffnungslosigkeit. Die Behörden müssen einen Gefangenen fürchten, der anfängt, ein Leben nach dem Knast zu denken und der dies der Öffentlichkeit mitteilt. Ein „Terrorist“, der für die Öffentlichkeit ersichtlich nicht an seiner fehlenden Einsicht, sondern an den Umständen und der Dauer seiner Haft zugrunde geht, paßt nicht in das Bild der Bedrohung, an dem ad infinitum weitergemalt werden soll. Die Knastleitung von Straubing hält die Beziehung Rössners zu einer Besucherin für „schädlich“. Vielleicht ist sie es, weil und solange die heutigen Täter das heutige Opfer lebenslang einmauern wollen.

Gerd Rosenkranz