Hafturlaub ohne Wiederkehr - Mord auf der Flucht

■ Nach Polizistenmord und Geiselnahme folgen nun die Forderungen nach Verschärfung der Urlaubsregelungen im Knast

Paris (dpa/taz) - Ein Mann bekommt Hafturlaub und beschließt, diese Chance zu nutzen, um seinen Gefängnisaufenthalt zu beenden. Der Mann heißt Wolfgang Wendt, und er verschwand im März. Seitdem wurde nach ihm gefahndet. Am Mittwoch dieser Woche geriet er in eine Personenkontrolle, zog eine Pistole und erschoß den Polizisten, der seine Papiere sehen wollte. Wendt, angeblich ein ehemaliger Fremdenlegionär, nahm daraufhin auf dem Autobahnrastplatz Königsberg zwei schwangere Taxifahrerinnen als Geiseln und flüchtete über die Grenze nach Belgien. Nach siebenstündiger Irrfahrt durch das deutsch-belgische Grenzgebiet ließ er die beiden 21 und 24 Jahre alten Schwestern in der ostbelgischen Stadt Lüttich wieder frei. Anschließend hatten die Fahnder zunächst seine Spur verloren. Nach Angaben des belgischen Rundfunks war Wendt nach Freilassung der beiden Schwestern am Mittwoch abend mit einem Zug in Richtung Brüssel gefahren und in der belgischen Stadt Waremme ausgestiegen.

In diesem Ort - etwa 120 Kilometer westlich von Brüssel brachte er eine 30jährige Frau und deren kleines Kind in seine Gewalt. Nach Polizeiangaben zwang Wendt die Mutter, ihn mit ihrem Auto nach Frankreich zu fahren. Im Pariser Vorort Saint Denis habe der flüchtige Knacki in einer Bank deutsches und belgisches Geld in französische Währung umgetauscht. Danach habe er die Geiseln freigelassen und sich zu Fuß auf den Weg gemacht. Seither fehle jede Spur von ihm. Wendt war 1980 nach zwei Banküberfällen in Niedersachsen schon einmal nach Frankreich geflüchtet. Dort saß er wegen mehrerer Straftaten einige Jahre in Haft und wurde 1988 an die Bundesrepublik ausgeliefert. Wendt spricht fließend französisch und hat nach Angaben der Lütticher Zeitung 'La Meuse‘ früher in der französischen Fremdenlegion gedient. Die Fahndung nach ihm läuft auf Hochtouren, die französische Polizei vermutet ihn in Südfrankreich, wo ehemalige Freunde von ihm leben sollen.

Alles in allem nicht mehr als eine spektakuläre Kriminalgeschichte, wenn sie ihren Ausgang nicht gerade mit einem Hafturlaub genommen hätte. Schwerstkriminelle, so der bundesdeutsche Law-and-order-Politiker Ingo Herrmann, gleichzeitig Vorsitzender des Bundes deutscher Kriminalbeamter, werden aus den Haftanstalten „in unverantwortlicher Weise in die Öffentlichkeit freigelassen, indem „Vollzugslockerungen quasi mit dem Füllhorn über alle ausgeschüttet werden, die aufgrund gewisser Zeitabläufe in Frage kommen“. Herrmann weiß natürlich, daß dem nicht so ist. Trotzdem kann er sich der Unterstützung konservativer Kreise sicher sein. Einfache Lösungen versprechen einfach die meiste Popularität.

JG