Frostiges Osterklima bei Metall

■ Erste Warnstreiks in Stuttgart / Arbeitgeber sprechen von „Rechtsbruch“ / Harte Fronten im Tarifkonflikt

Berlin (taz) - Je wärmer die Jahreszeit, desto frostiger wird das Klima zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften in der Metallindustrie. Rund 23.000 Beschäftigte aus Großbetrieben des Raums Stuttgart haben am Donnerstag die regionalen Tarifverhandlungen mit Warnstreiks und Protestaktionen begleitet. Und in Bremen haben die Gewerkschafter am Donnerstag den für nächste Woche angesetzten Verhandlungstermin mit den Arbeitgebern platzen lassen, weil weitere Gespräche nach sieben ergebnislosen Verhandlungsrunden „keinen Sinn mehr“ hätten. Die Tarifauseinandersetzung in der Metallindustrie tritt nach Ostern in ihre entscheidende Phase.

Die Stuttgarter IG Metall hat angekündigt, sie werde schon vor der Beendigung der Friedenspflicht am 28. April zu befristeten Warnstreiks mobilisieren. Später sollen sie zu einer bundesweiten Warnstreikwelle ausgeweitet werden. Die IGM fordert die 35-Stunden-Woche, die Erhaltung des freien Wochenendes sowie 8,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 200 Mark mehr.

Die Arbeitgeber reagierten auf die verschärfte Gangart der IGM empört: „Offenen Rechtsbruch“ sieht der Hauptgeschäftsführer von Gesamtmetall, Dieter Kirchner, in den Streikankündigungen der Gewerkschaft. Warnstreiks seien erst zulässig, wenn zuvor das Scheitern der Tarifverhandlungen erklärt worden sei, meinte der Arbeitgeberfunktionär im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Kasseler Gericht hatte im letzten Jahr festgestellt, Streiks mit „Erzwingungscharakter“ seien vor Ende der Friedenspflicht rechtswidrig. Obwohl Warnstreiks geeignet sind, Druck auf die Verhandlungen auszuüben, fallen sie nach der Rechtsprechung des BAG nicht zwangsläufig in diese Kategorie. Kirchner kündigte für den Fall von Warnstreiks einstweilige Verfügungen, Klagen, Abmahnungen und Schadensersatzforderungen an. Die Arbeitgeber lehnen jede weitere Arbeitszeitverkürzung ab. Im Tarifbezirk Nordwürttemberg/Nordbaden haben sie bisher fünf Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von 15 Monaten angeboten.

Bei der Stuttgarter IGM-Bezirksleitung heißt es, „die Gretchenfrage“ nach der Arbeitszeitverkürzung müsse spätestens beim vorläufig letzten angesetzten Termin am 3.Mai geklärt werden. Lehnen es die Arbeitgeber dann immer noch ab, die 35-Stunden-Woche überhaupt in den Tarifvertrag aufzunehmen, werde die Bezirksleitung beim Hauptvorstand der Gewerkschaft das Scheitern der Verhandlungen beantragen. Dieser wird voraussichtlich am 8. Mai entscheiden. Damit wäre der Weg frei zu Urabstimmung und Streik. Seit Wochen laufen dafür die Vorbereitungen.

Die diesjährige Auseinandersetzung im Metallbereich konzentriert sich auf zwei Bezirke: Die Verhandlungsführung liegt wie immer in den letzten Jahren beim kampferprobten Bezirk Stuttgart, einbezogen ist der Bezirk Nordmark mit seiner derzeit voll ausgelasteten Werftindustrie. Die Gegensätze prallen vor allem im der Arbeitszeitfrage aufeinander: die IG Metall will nach 1984 und 1987 nun in der dritten Arbeitszeitrunde auf jeden Fall die 35-Stunden -Woche „vom Tisch“ bekommen und ist dafür bereit, die Zeiträume für die Einführung der Arbeitszeitverkürzung zu strecken. Die Arbeitgeber dagegen haben sich bislang gegen jede weitere Arbeitszeitverkürzung ausgesprochen und wollen die früher durchgesetzte 37-Stunden-Woche durch die Freigabe individueller Vereinbarungen mit den Beschäftigten faktisch wieder außer Kraft setzen.

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