Nächtliche Überfälle von Skin-Banden

Für die Polizei handelt es sich bisher nur um „Sachbeschädigungen“  ■  Aus Berlin Uwe Meyer

Club Sophienstraße in Mitte, Samstag früh gegen dreiviertel sechs. Die Gäste sind raus, zwei Clubmitglieder sind noch im Keller beschäftigt. Da krachts. Das große Schaufenster geht scheppernd zu Bruch, kurz darauf das Fenster der Eingangstür. Zeugen sehen, wie mehrere Männer, kahlgeschoren, Steine und Stuhlbeine ins Fenster schmeißen, einer tritt mit dem Fuß in die Tür. Dann springen sie in einen Golf und starten durch. Der Überfall dauerte keine fünf Minuten, der Schaden beträgt etwa 1.500 Mark. Spontane Einzelaktion von kahlen Hohlköpfen? Wohl kaum, wie mir Clubleiter Steffen später berichtet. „Diese Anschläge richten sich gegen alle Einrichtungen mit vornehmlich linkem, intellektuellem Publikum. Diese rechtsradikalen Schlägertrupps müssen eine Liste von solchen Clubs und Treffpunkten haben und gehen systematisch vor. In dieser Nacht war vorher schon das Cafe in der Schliemannstraße dran. Dort erzählt Torsten, einer der sechs Mitinhaber, gleich von zwei Überfällen. „So gegen zwei Uhr hielten drei Wagen vor unserem Cafe. Aus den Autos heraus wurden mit Steinen die Fenster eingeschmissen. 'Ihr roten Schweine‘ grölte einer dazu. Dann fuhren sie wieder weg. Zwei der Fahrzeuge waren Westwagen, einer (Wartburg IJ 73-75) von hier. Es gab zwei Verletzte. Wir riefen Krankenwagen und Polizei. Nach zwanzig Minuten (!) waren beide da. Die Polizisten zeigten übrigens wenig Interesse an dem Fall. Nichteinmal die Beweisstücke (Steine) wurden mitgenommen. Der zweite Angriff erfolgte so gegen halb fünf. Im Cafe befanden sich noch zehn Gäste, als plötzlich etwa zwölf, teilweise maskierte Typen durch die Tür stürzten. Sie warfen wie verrückt mit Steinen um sich und schlugen mit Baseballschlägern auf das Mobiliar ein. Wir flüchteten in die Küche und schmissen mit Bierflaschen nach den Angreifern. Einen haben wir auch erwischt, seine Kumpane mußten ihn rausschleppen. Sie rannten in Richtung Helmholzplatz, wo noch mehr von der Sorte (Bomberjacken, Glatzen, Stiefel) lungerten.“

Das ganze klingt schwer nach Wild-West, passierte aber in Berlin-Ost. Noch scheinen sich die Angriffe vorrangig auf Objekte und weniger gegen Personen zu richten, aber die Tendenz zur Gewalt gegen Einzelne (Ausländer, Punks, Linke und Intellektuelle) und deren Treffpunkte ist stark ansteigend.

Mehrere Clubs (JoJo, Club 29 und andere) können bereits ein Lied davon singen. Gründe für die zunehmende Militanz gibt es mehrere. Die einen liegen sicher in der unbewältigten faschistischen Vergangenheit der DDR. In den letzten Monaten kam ein latenter rechtsfreier Raum hinzu, der durch eine verunsicherte Polizei noch verstärkt wurde. Das Deutschlandgetöse und die linke Ablehnung darauf, riefen diese Gruppen ebenfalls auf den Plan. Wir werden mit ihnen in Zukunft zu rechnen haben und sollten uns auf diese Gefahr ernsthaft vorbereiten. Die Mitarbeiter in den besonders gefährdeten Treffpunkten sollten sich zusammen über gemeinsame Schutzmöglichkeiten verständigen. Die Bereitschaft dazu habe ich in meinen Gesprächen deutlich vernommen. Schließlich steht der 20. April vor der Tür, wo mit massiven Aktionen der Rechtsradikalen zu rechnen ist. Mit der einstigen Sicherheitspartnerschaft scheint es endgültig vorbei zu sein. Hauptmann Hensel von der Kripo -Prenzlauer Berg auf meine Nachfragen zu den Überfällen: „Ja, die Anzeigen liegen uns vor. Wir ermitteln aber natürlich nach Prioritäten. Sachbeschädigung, wie in den vorliegenden Fällen, steht da nicht gerade ganz oben.“ Auf meine Hinweise zur politischen Motivation bei den Überfällen wehrt Herr Hauptmann ab. „Wie sie wissen haben wir einen neuen Innenminister und wir müssen warten, wie er (Diestel -DSU) rechts und links für uns definiert.“ Auf meine Frage, ob für ihn zumindest noch die Gesetze der DDR gelten, kann er mich beruhigen. „Selbstverständlich arbeiten wir strikt auf der Grundlage der bestehenden Gesetze der Deutschen Demokratischen Republik.“

Das könnte beruhigen, wäre da nicht sein neuer, oberster Dienstherr, bei dem ich in dieser Hinsicht meine Zweifel habe, auf Grund seiner bekannten Aussagen vor Presse und Volkskammer. Sollen die kommenden Zeiten nicht besonders gute für Rechtsradikale in unserem Land werden, muß Herr Innenminister sehr bald ein klärendes Wort sprechen. Ansonsten sehe ich braun.