NUR WASSER UND PIGMENT

■ Grete Csaki-Copony in der Galerie Niemann

Vor allem die Aquarelle! In zarten Komplementärfarben formen sich Körper in zeitloser Umgebung im Weiß des Papiers. Halbtongestimmt und kleinformatig erfordern sie den Nahblick. Es sind Akt-, keine Nacktbilder. Zwar sind die Posen die üblichen. Von hinten, von vorn, von der Seite sind diese Frauenkörper ohne Hintergrund sofort wiedererkennbar, wohl weil diese Posen älter als die Malerei, vielleicht so alt wie der Blick sind, der einen Körper als verführerisch erkennt. Erotisch aber - im Sinne von Blickfang, Blickbann sind die Farben in ihrem Wechsel- und Zusammenspiel.

Aus einem bläßlichen Ocker, das feucht-verfließend aufgetragen wurde, ergibt sich eine liegende Figur. Rote Tupfer sind darin verflossen, geronnen, wohin sie wollten. Diese informellen Rinnsale bringen den Körper und den Blick in Bewegung. Sie bilden Brennpunkte aus, denen der Blick nachtastet. Aber zu sehen sind Farbverläufe in näßlichem Ocker. Der Körper ist nie ganz da und nicht einfach zu haben; er kann sich nie zu einer vollständigen Illusion ausbilden. Stets sieht Betrachter und Betrachterin auch den Ablauf der Herstellung zum Bild des Körpers, nie den Körper als Körper allein. Marguerite Duras wollte als Filmerin die Kamera spüren lassen. Grete Csaski-Copony läßt die Farbe in ihrem Auftrag spüren.

Die aquarellierten Akte machen keine nackten Frauen sichtbar, sondern Farben, die die Form eines Frauenkörpers angenommen haben. Und wie lasziv BetrachterInnen auch immer diese Akte anstarren, wie besitzergreifend der Blick auch sein mag, sie berühren nichts anderes als einen Frauenkörper aus Pigment und Wasser. Durch die allbekannten Posen suggerieren sie Bereitschaft zu vielem. Aber diese Bereitschaft ist uneinlösbar. Sie bleibt Bild und Vorstellung. Dieser Vorentscheidung entspringt der Eros der Aquarelle. Und als ob die Malerin Blick-Hand-Farbe bruchlos koordiniert hätte, leuchten diese Frauenkörper matt wie eine luftig-ferne Erscheinung: ganz real unwirklich.

Und die Zeichnungen. In den späten zeichnet Csaki-Copony, ohne abzusetzen, aus der Hand heraus, so etwas wie Figuren und Paare. Sie erinnern an Klee. Das Zittern der Hand ist zu sehen als Störung. Sie nimmt der Zeichnung die Glätte und evoziert - neben dem Sichtbaren - den Körper der Malerin.

Ansonsten orientiert sie sich an vorgegebenen Themen. Erfinderisches und Innovatives sind keine Qualitäten von Csaki-Copony. Akt, Portrait, Figuren im Raum, Mutter und Kind, Kartenspieler. Es ist das ABC einer Malerei, die das Vorbild des Akademischen nie grundsätzlich verworfen hat, der es vor allem darum geht, das WIE der kanonischen Bildvorgaben zu erkunden, dabei eine „Handschrift“, eine Art Stil zu finden und sich durch die Explosion des WIE in divergierende Kunstrichtungen nicht allzusehr verwirren zu lassen. Das WAS war offensichtlich keine Frage für diese Malerei. Aber der Blick, den diese Bilder freigeben, ist nicht ohne Vorbehalt, reserviert.

Das Selbstporträt zeigt den skeptischen Blick der 33jährigen Malerin. Sie steht vor einem rautenförmigen Teppichmuster, eben bei der Arbeit unterbrochen. Ihren Malerkittel hat sie lässig, weich über den Körper fallend gemalt und mit einem Gürtel über die Hüfte gerafft. Ein langer Schal ist zu einem bauschigen Knoten gebunden. Eine Baskenmütze begrenzt eine hohe, breite Stirn. In beiden Händen hält die Malerin Pinsel. Der Blickpunkt ist auf Hüfthöhe festgelegt. Als stünde sie auf einem Podest, blickt sie musternd herunter. Sie hat kein einziges weibliches Attribut, kein einziges weibliches Reiz-Klischee. Ecce pintor! Diese Person malt. Sie macht in ihrem Selbst-Bild keine Kompromisse zugunsten offensichtlicher Reize. Die sexuelle Differenz hat sie zurückgenommen und den distanzierenden Blick akzentuiert. Das Selbstportrait im Atelier ist ein Berufsportrait. Csaki-Copony stellt sich als Person dar, die malt. In einer Hand hält sie zwei Pinsel wie einen Zirkel; als Architektin auch. Mit der anderen Hand führt sie den Pinsel in den Winkel des Rahmens und wiederholt in der Geste das Rautenmuster des Teppichs im Hintergrund. Dieser Strenge in der Form entspricht die Weichheit gegenüber der Körperdarstellung. Dies gilt auch für die Aquarelle.

Diese Malerin ist älter als das Jahrhundert. 1893 in Siebenbürgen geboren, hatte sie das Privileg zu studieren und zu reisen. Budapest, Prag, Stuttgart, Berlin. Die Zeittendenzen scheinen sie nicht durchgewirbelt zu haben, ihren Bildern sind zwei erlebte Kriege in dieser Ausstellung nicht anzusehen. Ein langes gelebtes Leben aber wohl.

Peter Herbstreuth

„Grete Csaki-Copony - Arbeiten aus 70 Jahren“. In der Galerie Bodo Niemann, Knesebeckstr. 30, Di-Fr 12-18 Uhr, Sa 11-14 Uhr. Noch bis 5.5. verlängert.