Gaststätten ohne Gäste

■ Hotel- und Gaststätten-Innung warnt: 60 Ausflugslokale stehen „kurz vorm Ruin“ / Grund: Gäste im Osten und Havelchaussee-Sperrung / Bis zu 70 Prozent Umsatzverlust

In Ost-Berlin gab es über Ostern wieder lange Schlangen vor den wenigen Restaurants, Lokalen und Eisdielen. Im Westteil der Stadt blieben trotz Oster-Tourismus manche Gaststätten leer.

Zum Beispiel das Restaurant Lindwerder auf gleichnamiger Insel in der Havel. Sein Inhaber, Horst Biskup (46), war am gestrigen Ostermontag stinksauer: „Seitdem der rot-grüne Senat die Havelchaussee gesperrt hat, hat er 70 Prozent weniger Umsatz.“ Sein Restaurant kann man seit der Sperrung eines Zehntels von insgesamt 14 Kilometern Havelchaussee nicht mehr mit dem Auto erreichen.

Aber nicht nur Biskup tobt - obwohl alle anderen Gaststätten an der Havelchaussee wie eh und je mit dem Auto zu erreichen sind. Olaf Kreft (54), Geschäftsführer des Restaurant-Schiffs Alte Liebe, ist genauso wütend. Seinen schaukelnden Gourmetbetrieb mußte Kreft Samstag und Ostersonntag schon abends um 7 schließen. Normalerweise hat er bis 23 Uhr auf. Sein Umsatz fiel auf die Hälfte, anstelle von sieben Mitarbeitern kommt er derzeit mit vieren aus. Und auch Gert Sengpiel (39), Chef vom Restaurant im Grunewaldturm, verdient nur noch Drittel: „Täglich rufen Gäste an und wollen wissen, wie man herkommt.“

Doch außer der Sperrung des 1,6 Kilometer kurzen Teils der Havelchaussee macht den Ausflugswirtschaften noch anderes zu schaffen. Horst Döbler (53), Chef des Seegartens am Tegeler See, stöhnt: „Die Dampfer fahren fast leer.“ Seit Öffnung der Mauer hat er ein Drittel weniger Umsatz. Und wenn er mit Spirituosen andere Gaststätten beliefert, „dann klagen vor allem grenznahe über Umsatzrückgänge“. Wenn Döbler übern Alex geht, dann erfährt er auch warum. Denn in den Restaurants auf dem Ostberliner Renommierplatz trifft er seine Stammgäste wieder. „Hallo Döbler, wie geht's?“, wird er dann gefragt.

Der Geschäftsführer der Hotel- und Gaststätten-Innung, Hans Siemund, schätzt, daß es seit Öffnung der Mauer mit etwa 60 Ausflugsbetrieben finanziell bergab geht. Es seien nicht nur Betriebe an der Havel, dem Wannsee und dem Tegeler See, sondern auch die im Tiergarten und die auf dem ehemaligen Bundesgartenschau-Gelände in Britz betroffen. Die Innung mit etwa 3.000 Mitgliedern fordert nun, daß der Senat aus einem Sonderfonds die Westberliner Gaststätten unterstützt, die unter dem Zusammenbruch des Sozialismus leiden. Wie solch ein Fond aussehen und wer wieviel daraus bekommen soll, weiß Siemund allerdings nicht, „das müsse mit dem Senat ausgehandelt werden“. Gespräche sollen nach Ostern stattfinden, dann haben die Gastronomie-Betriebe den Verlust fürs erste Vierteljahr ausgerechnet.

Biskup legt auf einen Sonderfonds allerdings „gar keinen Wert“. Er will, daß Umweltsenatorin Schreyer und Verkehrssenator Wagner ihr Versprechen einhalten: Der Bus an der Havelchaussee soll viertelstündlich und bis 23 Uhr fahren. Jetzt fährt er nach Bedarf, und das auch nur bis 19 Uhr. „Danach kriege ich für meine Gäste nicht einmal eine Taxe“, so Biskup.

Dirk Wildt