Schmuddelmilieu mit Flaschenbier am Vormittag

■ Trash - Altenessen, ARD, 23 Uhr

Es war einmal ein Land, in dem die Seilscheiben der Zechen surrten und Förderkörbe das schwarze Gold der Tiefe ans Tageslicht schafften. Damals war die Welt im Ruhrpott noch in Ordnung, oder zumindest das Klischee davon. Jeder konnte sich sein Rührstück ausmalen: Laubenpieper und Taubenzüchter vor rauchenden Schloten im Abendrot oder seifige Leiber schwarzer Kumpels in der Waschkaue. Und die Bewohner im Ruhrgebiet ließen den Rest der Republik in dem Glauben, daß es dort genauso auszusehen hatte, wie man sich das Malocherglück gemeinhin vorstellt, und gingen ansonsten ihren Beschäftigungen nach.

Dann kam alles ganz anders. Die Zechen hatten längst dicht gemacht, dem Stahl wurde eine düstere Zukunft prophezeit, und das gute Pilsener aus den Brauereien längs der Ruhr war inzwischen von Sauerländer Gebirgsquellen übertrumpft worden. Da blieb den Stilllebenzeichnern, die bisher mit Kamera, Tonband und Schreibmaschine am Helden der Arbeit unter Tage gearbeitet hatten, nichts anderes übrig, als nach neuen Motiven für das romantische Elend im Ex-Kohlenrevier zu suchen. Thomas Schadt hat in seinem 88minütigen Dokumentar-Melodram die Alternative zum bierseligen Treff in der Südkurve von Borussia Dortmund endlich gefunden: ein Konzert mit Trash-Musik, der hyperschnellen Abart von Heavy Metal. Das bläst das Hirn raus und paßt wunderbar als Filmmusik zu den tristen Kulissen leerstehender Fabriken und zur Endzeitphilosophie vollgelaufener Jugendlicher.

Es gibt drei Arten von Filmemachern, die sich dem Ruhrgebiet nähern. Die einen kommen aus dem Ruhrgebiet und liefern - ob kritisch oder verliebt - immer eine obskure, nur für Einheimische verständliche Version. Dann gibt es noch die kritischen Filmemacher von außen, die die Region meistens nur dazu benutzen, um zu zeigen, warum es sich lohnt, einen Bogen darum zu machen. Thomas Schadt aber gehört zu denjenigen, die fremd im Ruhrgebiet sind, aber sich vor lauter Sympathie für das Fremde nicht losreißen können von den Klischees, die über die Industrieregion im Umlauf sind. Natürlich ist es im Ruhrgebiet auch so, wie Thomas Schadt den Stadtteil Altenessen und die Trash-Band Kreator beschreibt - mit Flaschenbier am Vormittag und der verlogenen Gemütlichkeit der Gartenlauben. Aber noch nie ist es gelungen, neben dem altbekannten Schmuddel-Milieu das darzustellen, was anders ist zwischen Duisburg und Dortmund. Das wissen nur die Menschen, die dort wohnen, und die können's nicht erklären. Gut so. Wir verraten nichts.

Christof Boy