Neue Rüstungsrunde Indien/Pakistan

■ Kriegsabsichten auf beiden Seiten / Brutaler Polizeieinsatz

Neu-Delhi (ap) - Wieder einmal werfen sich Indien und Pakistan gegenseitig vor, Kriegsvorbereitungen zu treffen. Wieder einmal ist der Zankapfel der einzige überwiegend von Moslems bewohnte indische Unionsstaat Jammu-Kaschmir. Um ihn haben beide - in den Jahren 1948 und 1965 - zwei Kriege geführt. Während im Verhältnis der Supermächte die Zeichen auf Abrüstung stehen, die Sowjetunion ihre Truppen aus Osteuropa abzieht, die USA Abstriche am Verteidigungspotential in die Wege leiten, ist auf dem indischen Subkontinent eine neue Rüstungsrunde in Gang.

Indien hat seinen diesjährigen Verteidigungshaushalt gegenüber dem Vorjahr um mehr als zehn Prozent aufgestockt. Zwischen 1985 und 1989 hat Neu-Delhi mehr Waffenkäufe getätigt als jedes andere Land der Welt und dafür umgerechnet rund 30 Milliarden Mark ausgegeben. Im Gegenzug hat der pakistanische Staatspräsident Ghulam Ishaq Khan die Absicht erklärt, weiter moderne Waffen anzuschaffen. Pakistan gibt 52 Prozent seines Haushaltsbudgets für die Verteidigung aus.

Mit 1,4 Millionen Mann verfügt Indien nach der Sowjetunion, China und den USA über die viertstärkste Armee der Welt. Seine Luftwaffe zählt 870 Kampfflugzeuge. Die indische Kriegsmarine besitzt unter anderem zwei mit britischen Harrier-Raketen bestückte Flugzeugträger. Seit 1988 hat sie neben 16 konventionell bewaffneten auch ein mit sowjetischen Atomraketen ausgestattetes U-Boot.

Die indischen Waffenkäufe haben auch erheblich zur Auslandsverschuldung beigetragen. Mit über 63 Milliarden Dollar steht das Land in der Kreide - damit ist es der viertgrößte Schuldner der Welt. Und eine Neuverschuldung ist kaum zu umgehen: Seit Jahrzehnten war die Sowjetunion Indiens Hauptwaffenlieferant und verkaufte das Kriegsmaterial zu „Freundschaftspreisen“. Damit hat es nun ein Ende. Künftig wird Moskau aus wirtschaftlichem Interesse darauf bedacht sein, Weltmarktpreise zu verlangen.

Gestern haben die Behörden in Jammu-Kaschmir die seit elf Tagen gültige Ausgangssperre gelockert, nachdem am Vortag Tausende von Ärtzten ihre Aufhebung gefordert und mit Kündigung gedroht hatten. Nach Angaben der Mediziner starben viele Patienten wegen schlechter Versorgung und Mangel an Medikamenten infolge der Restriktionen.

Am Wochenenden haben indische Soldaten ganze Straßenzüge nach militanten moslemischen Rebellen durchsucht. Augenzeugen berichteten von Folterungen verdächtiger Zivilisten durch das indische Militär. Man habe die Festgenommenen gezwungen, mit schweren Steinen auf dem Rücken Kniebeugen zu machen.

John Pomfret