Das gesamtdeutsche Ende der Ostermärsche?

Erster Ostermarsch in beiden Teilen Berlins / Kritik an der PDS niedergepfiffen / Spärlichste Beteiligung an den Friedensaktionen in der Bundesrepublik / Angeblich war wieder mal das Wetter an allem schuld / Ex-Admiral Schmähling fordert Auflösung der Militärbündnisse  ■  Aus Berlin Andrea Böhm

Der historische Schritt geriet zur tausendfachen Latscherei. Mehrere Kilometer hatten sich rund 10.000 Ostermarschierer aus Ost und West bereits am Sonntag durch die Hauptstadt der DDR geschlängelt, das Überschreiten der Grenze nach West -Berlin am Übergang Heinrich-Heine-Straße wurde kaum mehr gewürdigt. Lediglich eine Minidelegation Kreuzberger Autonomer empfing die DemonstrantInnen mit einem Schild „Königreich Kreuzberg (autonom)“ und verdeutlichte, daß man sich nun tatsächlich auf anderem Territorium befand. Ausweise und Pässe blieben in den Hosentaschen und Rucksäcken, die Grenzer ließen sich statt dessen bereitwillig zum Fototermin bitten.

Etwaige Nachwirkungen der Auseinandersetzungen im Vorfeld des ersten Gesamtberliner Ostermarsches schienen wie weggeblasen, als sich die DemonstrantInnen am Start im Ostberliner Monbijoupark für die Fernsehkameras sortierten. Ein Bündnis bestehend aus Alternativer Liste (West), Vereinigter Linken (Ost), FDJ, PDS sowie 60 Friedensgruppen hatten unter dem Motto „Für Solidarität und Entmilitarisierung - Berlin ohne Militär“ aufgerufen.

Es fehlte die Unterschrift der Berliner Sozialdemokraten dies- und jenseits der Grenze, die einen eigenen Aufruf vorlegten. „Den Menschen, die noch vor Monaten unter Verantwortung der SED/PDS am Demonstrieren gehindert, bespitzelt und drangsaliert wurden, ist kaum verständlich, warum sie jetzt mit dieser SED/PDS demonstrieren sollten“, ließ die West-SPD verlauten. Weil FDJ und PDS zu den Aufrufern zählten, wollte auch Konrad Weiss, Filmregisseur und Vertreter von Demokratie Jetzt, nicht mehr zu den Ostermarschierern sprechen und sagte seine geplante Rede ab.

In den Beiträgen zu Beginn und Abschluß der Kundgebung verteilten die Redner reichlich Streicheleinheiten an die PDS. Peter Kirchner, Vorsitzender der Ostberliner Jüdischen Gemeinde und Ersatzmann für Konrad Weiss auf der Rednerliste, warnte vor einer Ausgrenzung der PDS, andere lobten die Lernfähigkeiten der ehemaligen Einheitssozialisten. Wer allerdings gegen das mangelnde Kurzzeitgedächnis der Versammelten angehen wollte, mußte mit lautstarkem Protest rechnen. Petra Morawe vom Neuen Forum erinnerte auf der Abschlußkundgebung auf dem Westberliner Hermannplatz an die „alte“ SED, die noch vor einem Jahr die Friedensbewegung kriminalisiert habe. Ein gellendes Pfeifkonzert war die Antwort.

Man hatte zuvor jedoch einmütig hintereinander demonstriert: die SPD mit ihrem Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters, Timo Schwierzinna, die PDS mitsamt ihrem Berliner Vorsitzenden Adolphi, das „Bolschewistische Kurorchester“ aus Ost-Berlin sorgte für Geräuschkulisse, die Friedensinitiative Wilmersdorf hatte die Monsterfriedenstaube aus Pappmache aus dem Keller geholt und aufs Autodach geschnallt. Mangels stabiler Militärblöcke und Kalter-Krieg-Ideologie waren die Inhalte breit gestreut. „Stopp den Jäger 90“, „Für 1:1“, „Artikel 23 - kein Anschluß unter dieser Nummer“ oder „Wir wollen unseren Winter wiederhaben - gegen FCKW“ war auf Transparenten zu lesen. Gerufen und gesungen wurde wenig, dafür um so mehr Fahnen geschwenkt: Schwarzrotgold mit Hammer und Zirkel erlebte eine letzte Renaissance.

Aus deutschen Dörfern

Rasdorf (dpa) - Knapp 1.000 Mitglieder der Friedensbewegung aus Hessen und Thüringen haben am Sonntag an Ostermarschaktionen vor dem US-Grenzbeobachtungspunkt „Point Alpha“ bei Rasdorf im Kreis Fulda teilgenommen. Die Polizei sprach von 600 Demonstranten. Sprecher der Friedensbewegung gaben dem schlechten Wetter die Schuld für die schwache Beteiligung. Wie auch andernorts hatte es in Osthessen fast den ganzen Vormittag in Strömen geregnet. Aus der DDR waren 400 Demonstranten nach Kundgebungen in den DDR-Orten Suhl, Bad Salzungen und Weimar nach Rasdorf gekommen.

Die Grünen-Politikerin Petra Kelly verlangte bei der Abschlußkundgebung unmittelbar an der DDR-Grenze die Schließung des Grenzbeobachtungspunkts der US-Streitkfäfte. Auf dem Gelände sollte eine internationale Begegnungsstätte entstehen. Zur Bekräftigung ihrer Forderung begannen die Teilnehmer am Ende mit dem symbolischen Umbau des Grenzbeobachtungspunktes.

Mannheim (dpa) - Über 3.000 Menschen beteiligten sich bereits am Samstag nach Angaben der Veranstalter an einer Ostermarschkundgebung im Viernheimer Wald bei Mannheim, zu der auf der Landesgrenze zwischen Baden-Württemberg und Hessen weit über 100 Gruppierungen aufgerufen hatten. Hauptredner der Kundgebung war der in den vorzeitigen Ruhestand entlassene ehemalige Flottillenadmiral Elmar Schmähling. Heftig kritisierte er die „widersinnige Übermilitarisierung der Welt“. Auf der Kundgebung im sogenannten „Panzerwald“ sprach sich Schmähling für eine Auflösung der Nato und des Warschauer Paktes aus. Die Militärbündnisse könnten höchstens noch für kurze Zeit als „Konkursverwalter einer gescheiterten menschenverachtenden Hochrüstungspolitik“ fungieren.

Im Südwesten zogen rund 1.000 Abrüstungsbefürworter vor das Hauptquartier der US-Streitkräfte in Europa in Stuttgart -Vaihingen. Ostermärsche fanden auch im Ruhrgebiet statt, wo sich nach Angaben der Veranstalter in Bochum rund 3.000 Menschen beteiligten. Aktionen gab es auch auf den Nordseeinseln Amrum und Föhr sowie in Bayern in Traunstein und in Rheinland-Pfalz in Mainz-Finthen.