Keine Amnestie für WAA-Gegner

■ Grüne legen eine Bilanz der Verfolgung des WAA-Widerstands vor / Behörden ermittelten im „Übermaß“ / Fast zwei Drittel der Verfahren wurden eingestellt / Trotzdem hohe Geld- und Freiheitsstrafen / Keine Amnestie

Nürnberg (taz) - Von 3.326 Ermittlungsverfahren, die im Zusammenhang mit dem Widerstand gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf eingeleitet worden sind, sind bis heute 2.173 eingestellt worden. Unter den bis heute rechtskräftigen Urteilen sind 233 Freisprüche zu verzeichnen, aber auch zum Teil hohe Geldstrafen, in 34 Fällen Jugendarrest und in fünf Fällen Freiheitsstrafen (59 in der ersten Instanz). Für die bayerischen Grünen belegen die von der Bayerischen Staatsregierung herausgegebenen Zahlen, daß die Justizbehörden „zweifellos im Übermaß“ gegen WAA-GegnerInnen ermittelt haben. Die Kriminalisierung des WAA-Widerstands durch Überziehung mit Ermittlungsverfahren unabhängig von derem Ausgang ist den bayerischen Grünen nicht einmal mehr eine Erwähnung wert. Auch nicht der beispiellose Ermittlungsaufwand des Landeskriminalamtes, z.B. der Abgleich der Videoaufnahmen von Demonstrationen mit dem Bildmaterial der Einwohnermeldedateien oder die Ausdehnung des Begriffs „Widerstand“ auf ein von einem Polizeibeamten bezeugtes wenige Sekunden andauerndes „Muskelzucken unter dem Anorak“ eines Demonstranten. Statt dessen legen die Grünen wert darauf, daß die Vielzahl der mit mangelndem Schuldnachweis oder Tatverdacht sowie Geringfügigkeit begründeten Verfahrenseinstellungen nicht darüber hinwegtäuschen dürfe, daß in „einzelnen Fällen überharte Urteile auf einer mehr als wackligen Beweisgrundlage gefällt“ worden seien. Nach Ansicht der bayerischen Grünen zeigt die Bayerische Staatsregierung „keinerlei Neigung, diesem traurigen wie blamablen Kapitel der WAA-Geschichte ein Ende zu bereiten“. Erst letzte Woche hat die Staatsregierung erneut eine Generalamnestie für WAA -GegnerInnen abgelehnt, denn sie würde, so Innenminister Stoiber, das „Selbstverständnis aller Polizeibeamten bis ins Mark treffen“. Damit dies nicht geschieht, sollen die bei den Gerichten noch anhängigen 50 Verfahren auch voll durchgezogen werden.

Bernd Siegler