Neu in Bremens Kinos: „Wilde Orchidee“ mit Mickey Rourke

■ Vögeln für Rio

Es gab Zeiten, da hatte Mickey Rourke bessere Tage. Da war seine Jagd nach dem ewigen und einen Koitus erfolgreicher trotz so unwirtlicher Penetrationsstätten wie den New Yorker U-Bahn-Schächten. Länger als 9 1/2 Wochen trieb er es und avancierte mit Gespielin Kim Basinger zu einem der Filmtraumpaare der 80er Jahre.

In seinem neuen Sex-Opus Wilde Orchidee, angepriesen als „die erotische Sensation der neunziger Jahre“, bedarf es nun ganz anderer Stimulanzen, um Orgasmen am Fließband zu kreieren. Das schwüle, vor sinnlichen Klischees strotzende Brasilien wird Schauplatz. Aber nicht als Kulisse, da gibts nur zwei mäßige Blicke vom Corcovado auf die Strände von Ipanema und Copacabana - als erotischer Scharfmacher muß Rio herhalten. Um einer rechtschaffenden Kansas-City-Schönheit (Carre Otis, die sich mit einem Traum von Mund und einem ganz passablen Dekollete über die Filmlänge rettet) zum sinnlichen Coming-Out zu verhelfen, reicht die betörende Kälte des Mickey Rourke nicht mehr aus. Erst die allgegenwärtige Laszivität der Umgebung (eine Macumba -Seance, der nackte Body eines Strandvolleyball-gestählten brasilianischen Beaus, die rotierenden Ärsche der Sambatänzerinnen und die kunstvoll entblößte Transvestiten -Scham) wecken in der mit Lesebrille, gestrengem Haar und grauem Bürokostüm in Rio angereisten Jung-Anwältin die Geister, die in ihrem Unterleib so lange schlummerten. Fortan entdeckt sie sich mit wachsendem Wohlgefallen in der Rolle der Voyeurin, der Exhibitionistin, der Gelegenheits -Prostituierten, die sich flachlegen läßt, weil ihr geschätzter Wheeler (Rourke) nur beim Zusehen noch was spürt.

Keine Frage, daß der schwermütige Rourke - trotz der Silicon-Einspritzung, die ihn zum Hamstergesicht mutieren ließ - ein Frauenheld ist. Daß ihm weder die naive Schöne, mit der Mann immer nur das Eine will, noch Jacqueline Bisset (die einzig sehenswerte Rolle) auf Dauer widerstehen können. Sie verfallen seiner kühlen, kalkulierten Männlichkeit, die mit Harley-Davidson und roten Rosen, mit rohen Fäusten und guten Manieren daherkommt. Doch wie das Leben so spielt: In dem Augenblick, wo die Frau die Waffen streckt, wird der Mann zum Kinde und die Geliebte zur Mutter. Zum Vorschein kommt die verkrüppelte Seele, das verhärmte Herz. Soviel Angst vor dem Verlassenwerden, daß man dem guten Mickey ständig zurufen will: Junge, werd doch mal erwachsen!

Na und er wirds. Dank dem üblichen Initiationsritus - in einem wilden, ungezügelten Akt, von vorne, von hinten, mit Herrscherblick ... Und wenn sie nicht schon den nächsten Streifen drehen, dann kopulieren sie noch immer. Und irgendein Louis-Armstrong-Plagiator bläst ihnen einen - im passenden Rhythmus.

Andreas Hoetzel

UT, 15, 17, 20 Uhr