Milton siegt vom Reiter ungestört

Der Welt-Cup im - viel zu schweren - Springen geht an John Whitacker, der Dressur-Grand-Prix an Nicole Upoff  ■  Aus Dortmund Bibi Schrenk

So hatte sich das der Kollege nun wirklich vorgestellt. Auf den Tischen mit den anthrazitgrauen Monitoren klebten kleine Schilder. Wer seinen Namen nicht rechtzeitig plaziert hatte, der fand auch keinen Platz mehr auf den besseren Rängen der Pressetribüne. Nur noch hinten, auf den wenig bequemen Holzklappstühlen, war noch etwas frei an diesem Ostermontagnachmittag in Dortmunds Westfalenhalle. Glücklich also die, die schon am frühen Vormittag angereist waren, um die erste Prüfung des Tages, den „Grand-Prix Special“, zu sehen. Mit der Dressurnummer begann der letzte Tag des „38. Internationalen Spring- und Dressurturnieres“ von Dortmund und des „World Cup Final 1990“.

Es stand an: die große Revanche im von Frauen dominierten Dressursport. Nicole Uphoff, die Goldmedaillengewinnerin von Seoul, hatte ihren seither wacker vertretenen ersten Rang zu verteidigen gegen Monica Theodorescu, die Vierte der Dressureuropameisterschaften im vergangenen Jahr. Einen Tag zuvor noch überholte Theodorescu mit knappen sechs Punkten die einstige Senkrechtstarterin Uphoff. Am Montag vormittag um halb zwölf war die Dressurwelt dann wieder in Ordnung: Nicole Uphoffs brauner Westfalenwallach Rembrandt distanzierte sich und Frauchen von der Konkurrenz um ganze 58 Wertungspunkte - und sah dabei ein wenig aus, als wollte er Walzer tanzen.

Um 14 Uhr war es dann soweit: das große Finale des diesjährigen World Cup der Springreiter startete in seine letzte Runde. Zwei Parcours waren vorgesehen, bei Punktgleichstand konnte es ein Stechen geben. Nach dem ersten Springen am Donnerstag abend war bereits klar: den großen Fight um die ersten drei Plätze würden die Whitaker -Brüder austragen sowie die beiden Franzosen Pierre Durand und Herve Godignon. Nach der zweiten Prüfung am Samstag gesellten sich zu den vier Favoriten noch Nick Skelton aus England, Roger-Ives Bost aus Frankreich und der Holländer Jan Tops. Der gebürtige Holländer Franke Sloothaak, in Seoul mitverantwortlich für die Goldmedaille der Mannschaft, galt als der chancenreichste bundesdeutsche Kandidat. Der größte Wunsch der sich gerade selbst findenden Europäer war also in Erfüllung gegangen: nachdem Hattrick-Aspirant und Kanadier Ian Miller mit seinem Ersatzpferd Czar weit abgeschlagen im Mittelfeld rangierte, würde der Blumentopf in diesem Jahr wohl nach good old Europe gehen.

Es begann ein recht widerwärtiges Gezerre um den so begehrten Pokal, das für so manchen mit der Erkenntnis endete, er hätte es wohl besser mit einem anderen Sujet versucht (Meine Empfehlung: Fahrradfahren!). Dann aber kam Milton. Von der Tribüne aus betrachtet wirkte der weiße Riese, neuerdings auch Pegasus genannt, wie ein zierliches Welsh-Pony im A-Parcours. Furios durchquerte er die - wieder einmal - viel zu schwierige Hindernisstrecke und hatte dabei Glück mit seinem großartigen Reiter, der ihn niemals störte.

John Whitaker zeigte sich als die seltene Ausnahme in der Springreiterei, in der heute als „Stilist “ gilt, wer sein Pferd auch mal „zusammenschraubt“, um es hernach „loszulassen„; wer „den Bock“ gar „heißmacht“ und dann größter Irrtum - auch noch vorsorglich den Absprung für ihn „wählt“. Auf derlei Mätzchen verzichtet Whitacker ebenso wie auf die gegenwärtig weltweit verbreitete Reiterakrobatik, die für das Pferd zumeist mit einem kräftigen Ruck im Maul und einem durchschnittlich 70 Kilo schweren Plumps ins Kreuz endet.

Milton revanchierte sich bei seinem rücksichtsvollen Reiter mit insgesamt zwei Nullfehlerumläufen und einem Abwurf. Ein Stechen war nicht mehr nötig. Whitacker, der „ewige Zweite“, stand, mit großem Abstand zu Durand und Sloothaak, recht einsam an der Spitze.

In Upper Cumersworth (würd ich gern von Evelyn Hamann gesprochen hören; d.S.) in Yorkshire wird's in den nächsten Tagen wohl zugehen wie weiland bei der Rückkehr des sagenhaften Bobbele. Jener deutsche Kollege aber, der im allgemeinen Anflug von Begeisterung über das Wunderpferd Milton unüberhörbar wünschte, der Schimmel möge doch in Zukunft für viele schöne Fohlen sorgen, die dann, ähnlich wie der Hengst selbst, springen sollten wie ein Gummiball dieser Kollege wird wohl enttäuscht werden: Milton ist Wallach.