Widerstand gegen ADAC-Autorennen

■ BUND reichte beim Landtag Petition ein / ADAC köderte mit „Investitionen“ / SPD-OB der Stadt Singen biß an

Singen (taz) - Wieder einmal will Bleifußlobbyist ADAC (Mitglieder unter anderem: Joseph Fischer und Daniel Cohn -Bendit) Blechkisten durch die Landschaft donnern lassen. Der Verein beabsichtigt, am 16. September im Singener Industriegebiet einen Wertungslauf zur Deutschen Tourenwagenmeisterschaft auszurichten. Die Veranstalter erwarten rund 50.000 Schaulustige. Ob die den ersehnten stinkend-lauten Spaß haben werden, steht dahin. Denn das geplante Spektakel stößt auf Widerstand: Umweltschützer intervenieren, ebenso die Gemeinderatsfraktion der Grünen und zum Teil auch der SPD. Autorennen seien heutzutage „weder zeitgemäß noch vertretbar“, die Umweltbelastungen zu hoch. Jetzt hat sich der BUND an den Petitionsausschuß des baden-württembergischen Landtages mit der Bitte gewandt, „das Autorennen mit den gegebenen politischen Mitteln zu verhindern“.

Die geplante Rennstrecke, so der BUND liege in einem Wasserschutzgebiet und die Luftverschmutzung und die daraus resultierenden Waldschäden hätten gerade im Singener Raum ein bedenkliches Ausmaß erreicht.

Während die Singener Bevölkerung und Teil des Gemeinderates der Motor-Großveranstaltung eher ablehnend gegenüberstehen, läßt Oberbürgermeister Friedhelm Möhrle (SPD) nichts unversucht, „Striezel“ Stuck und seine Rennfahrerkollegen nach Singen zu holen. Bei einer Gemeinderatssitzung Mitte März erklärte Oberbürgermeister Möhrle dem erstaunten Gremium, daß die Stadt als Untere Verwaltungsbehörde sowieso nichts zu sagen hätte und die Meinung des Gemeinderates gar nicht gefragt sei.

Möhrle sprach sich erneut für das Rennen aus, zu einem Beschluß kam es aber nicht, da sich eine knappe Mehrheit für eine Nichtbehandlung des Themas entschied. „Selbstverständlich“, so einige Renngegner verärgert, „hätte es beim Regierungspräsidium auf jeden Fall Eindruck gemacht, wenn wir uns gegen die Veranstaltung ausgesprochen hätten“.

Der konstruktive Vorschlag von SPD-Rat Walafried Schrott stieß ebenfalls auf taube Ohren: Die Stadt könne sich doch bei der „Tour de Sol“, einem Solarauto-Rennen, als Etappenstandort bewerben. Eine Beteiligung an einem Rennen mit solarbetriebenen Vehikeln, plädierte Schrott, „ist sicher zukunftsweisender“. Das sieht Parteigenosse Möhrle gänzlich anders. Er hatte zuvor bei einer Pressekonferenz erklärt, daß das Rennen einen unverzichtbaren Werbeeffekt für die Stadt, das Industriegebiet und die örtlichen Betriebe mit sich bringen würde. Die Streckenpläne lägen beim Regierungspräsidium vor, mit einer definitiven Entscheidung sei spätestens bis Ende März zu rechnen. Zur Grobplanung, so der Singener Sportamtsleiter Alfred Klaiber, gäbe es bereits „eine positive Aussage aus Freiburg“.

Und um das Ganze schmackhaft zu garnieren, zauberte Möhrle einen ADAC-Köder aus der Westentasche: Die Veranstalter hätten sich bereiterklärt, neben einem Singener Unternehmen einen Eisenbahn-Haltepunkt einzurichten und dieser käme schließlich auch der Bevölkerung zugute. Doch kein Angebot ohne Haken: Investieren wollen die Rennveranstalter nur dann, wenn das Rennen nicht nur 1990 stattfindet, sondern die darauffolgenden vier Jahre ebenfalls.

Ein Windei, denn eine Genehmigung für das Rennen müßte jährlich neu beantragt werden. Mit der Eingabe an den Petitionsausschuß, der sich frühestens am 24. April mit dem Problem beschäftigen wird, ist sowieso eine neue Situation eingetreten. Spricht sich der Ausschuß gegen das Rennen aus, und es sieht ganz danach aus, ist das Regierungspräsidium an diese Weisung gebunden. Doch das scheint die Veranstalter nicht sonderlich zu beeindrucken: Im Terminkalender der Obersten nationalen (Renn-)Sportkommission (ONS) ist der Singener Renntermin bereits abgedruckt.

Holger Reile