Bald freie Wahlen in Nepal

■ Bhattarai vom sozialdemokratischen Nepali Congreß zum Premierminister ernannt / Freilassung aller politischen Gefangenen angekündigt / Übergangsregierung unter Beteiligung von Kommunisten und Sozialisten

Katmandu (taz) - Der Präsident des sozialdemokratischen Nepali Congreß, Crishna Prasad Bhattarai (67), wird Nepals Übergangsregierung bis zu den ersten freien Wahlen nach 30 Jahren leiten. König Birendra Bir Bikram Shah nominierte am Montag abend Bhattarai für das Amt des Premierministers, nachdem der Anführer der erfolgreichen Demokratiebewegung, Ganesh Man Singh (75), eine Übernahme des Amtes aus Gesundheitsgründen abgelehnt hatte. Bhattarai soll heute Morgen vom König vereidigt werden. Er versprach freie Wahlen spätestens nach einem Jahr, an denen alle über 18jährigen Nepalesen teilnehmen könnten. Innerhalb von drei Monaten soll ein Entwurf für eine neue Verfassung vorgelegt werden, die die Macht des bislang absolutistisch regierenden Monarchen beschränkt. Außerdem kündigte Bhattarai an, daß alle politischen Gefangenen freigelassen werden sollen.

Bhattarai kündigte die Bildung eines kleinen Kabinetts mit der vereinigten Linksfront an, einem Zusammenschluß kommunistischer und sozialistischer Parteien. Auch Kandidaten des Königs aus dem ehemaligen Panchayat-Lager sollen an der Regierung beteiligt werden.

Als erste Aufgabe einer Regierung nannte der designierte Premier die Beilegung des Handelskonflikts mit Indien. Nach dem Auslaufen von Handels- und Transitverträgen im März 1989 waren in Nepal monatelang Treibstoffe und Grundnahrungsmittel rationiert worden. Die Unzufriedenheit über die Wirtschaftsengpässe hatte zu den im Februar dieses Jahres begonnenen Aufständen gegen Regierung und Palast beigetragen. Am Montag morgen hatte König Birendra dann auf Druck der Demokratiebewegung die Nationalversammlung aufgelöst. Die noch unter der parteilosen Panchayat -Verfassung eingesetzte Regierung war zurückgetreten.

Bhattarai gilt bei politischen Beobachtern in Katmandu als gemäßigter Führer innerhalb des sozialdemokratischen Nepali Congreß. Von den beiden übermächtigen Nachbarn China und Indien habe er sich stets distanziert. Damit liege er auch mit König Birendra, der vor allem um die Unabhängigkeit Nepals besorgt sei, auf einer Linie, hieß es. Bhattarai war bereits 1959/60 innerhalb des bislang einzigen frei gewählten nepalesischen Parlaments für den Nepali Congreß aktiv. Nach der Auflösung des Parlaments und dem Parteiverbot von 1961 durch Birendras Vater, König Mahendra, verbrachte Bhattarai vierzehn Jahre im Gefängnis. Während der Demokratiekampagne der letzten acht Wochen stand der Nepali Congreß-Präsident unter Hausarrest. Für nepalesische Verhältnisse ungewöhnlich, hat Bhattarai niemals geheiratet.

Tom Trekker